Oldenburger, Marko, Kindesunterhalt in England. Vom Poor Relief Act 1598 zum Child Support Act 1991 (= Rechtsgeschichte und Geschlechterforschung 18). Böhlau, Köln 2014. 264 S. Besprochen von Steffen Schlinker.
Die Untersuchung Marko Oldenburgers über die Entwicklung des Kindesunterhalts in England ist von Stephan Meder betreut und von der Gottfried Wilhelm Leibniz-Universität in Hannover als juristische Dissertation angenommen worden. Die Einleitung (S. 13ff.) umreißt zunächst die wesentlichen Prinzipien des deutschen und englischen Unterhaltsrechts. In den Blick gerät hier insbesondere die unterschiedliche Bewertung von Betreuungsleistungen im Rahmen des Unterhaltsanspruchs. Darin kann man mit guten Gründen einen Gradmesser für den Stellenwert des Kindeswohls im Unterhaltsrecht sehen. Der Bundesgerichtshof hatte noch 1994 die Betreuung als nicht geschuldeten Unterhalt angesehen, im Jahr 2006 aber den Betreuungsunterhalt dem Geldunterhalt gleichgestellt. Nach englischem Recht wurde für den Kindesunterhalt dagegen stets auch die Betreuungsleistung berücksichtigt.
In einem erstenTeil wird sodann das aktuelle Unterhaltsrecht in England kurz erläutert (S. 39ff.). Daran schließt sich im zweiten und dritten Teil die eigentliche Forschungsleistung Oldenburgers an. Der Autor analysiert im zweiten Teil die rechtshistorische Entwicklung vom Poor Law und Bastardy Law im 16. Jahrhundert bis hin zu den gesetzlichen Reformen des 19. Jahrhunderts (S. 55ff.). Deutlich erkennbar ist der – auch heute bestehende - Vorrang der Unterhaltspflicht leistungsfähiger Familienmitglieder. Nur soweit der Kindesunterhalt nicht von der Familie geleistet wurde, konnte Armenhilfe in Form von Naturalleistungen begehrt werden, die sich stets auf die Befriedigung existentieller Bedürfnisse richtete, sich aber nicht an den individuellen Bedürfnissen des Kindes orientierte. Ergänzend dazu war der Kindesunterhalt im Family Law geregelt, dem sich der Autor im dritten Teil der Arbeit widmet (S. 127ff.). Ein eigener Unterhaltsanspruch stand dem Kind nach englischem Recht allerdings nicht zu. Es wurde vermutlich als selbstverständlich betrachtet, dass der Vater seine Kinder versorgte. Hier lässt sich eine Parallele zum Recht der römischen Republik ziehen. Kindesunterhalt konnte vielmehr nur im Rahmen eines Unterhaltsanspruchs der Mutter berücksichtigt werden. Das uneheliche Kind hatte jedoch seit dem Jahr 1733 einen eigenen, nach Höhe und Umfang gesetzlich bestimmten Anspruch auf Unterhalt gegen seinen Vater. Zuvor war allein die Mutter für das uneheliche Kind verantwortlich gewesen.
Für seine umfassenden und sorgfältigen Untersuchungen hat der Autor sowohl die englische Gesetzgebung als auch Entscheidungen englischer Gerichte herangezogen. Nur sehr knapp bleiben leider die Ausführungen zum abschließenden vierten Teil, der mit dem Titel „Ergebnis“ versehen ist (S. 235ff.). Eine pointierte Beschreibung der in den vorangegangenen Teilen dargestellten Veränderungen wäre wünschenswert gewesen. Im Anhang finden sich ein Literatur- und ein Quellenverzeichnis, eine Liste der englischen Gesetze, eine Übersicht über die herangezogenen Gerichtsverfahren sowie einige ausgewählte Quellen (S. 153ff.). Insgesamt liegt eine sehr hilfreiche und gut lesbare Darstellung vor, die dem deutschen Leser die Eigenart des englischen Kindesunterhaltsrechts nahezubringen vermag und deren sorgfältige und ausführliche Quellenarbeit Lob verdient.
Würzburg Steffen Schlinker