NS-Zwangsarbeit in der Elektrizitätswirtschaft der „Ostmark“ 1938-1945 – Ennskraftwerke – Kaprun – Draukraftwerke – Ybbs-Persenbeug - Ernsthofen, hg. v. Rathkolb, Oliver/Freund, Florian, 2. Aufl.. Böhlau, Wien 2014. XIII, 300 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der Zwang des anderen durch den einen ist entsprechend der egoistischen Natur des Menschen in der Gesellschaft nicht wirklich auffällig, so dass er sich an vielen Orten zu vielen Zeiten findet. Sogar zur Durchsetzung des Rechtes ist er grundsätzlich unentbehrlich. Gleichwohl ist zumindest in der Gegenwart die unter äußerem Zwang geleistete Arbeit im Kern rechtswidrig, weshalb seit 1951 wegen Zwangsarbeit unter der nationalsozialistischen Herrschaft zwischen 1933 und 1945 umfangreiche Schadensersatzprozesse geführt wurden, ohne dass die Zwangsarbeit damit bisher vollständig oder befriedigend aufgeklärt werden konnte.
Auslöser für das vorliegende, erstmals 2002 im Umfang von XIV und 297 Seiten erschienene Buch waren nach der Einleitung der Herausgeber der mediale, öffentliche, politische und rechtliche Diskurs über Entschädigung für Zwangsarbeit und bisher nicht kompensierte materielle Vermögensverluste während der nationalsozialistischen Herrschaft seit 1995 und Sammelklagen auf Entschädigung in den Vereinigten Staaten von Amerika gegen österreichische Unternehmen wie beispielsweise den VERBUND. Die damit ausgelösten Debatten lassen sich gut als Teil einer intensiveren globalen Auseinandersetzung um die Verletzung von Menschenrechten verstehen, obgleich diese jederzeit überall in großem Umfang verwirklicht werden. In Österreich fanden in diesem Zusammenhang am 28. September 1998 Gespräche zwischen dem Sprecher des Vorstands der damaligen Österreichischen Elektrizitätswirtschaftsaktiengesellschaft VERBUND und Oliver Rathkolb aus dem Institut für Zeitgeschichte in Wien zwecks umfassender historischer Aufarbeitung statt, aus denen das vorliegende Werk resultierte.
Gegliedert ist das inzwischen geringfügig erweitert in zweiter Auflage veröffentlichte Buch nach der Einleitung der Herausgeber in sechs Einzelabschnitte. In ihnen behandelt Florian Freund eindringlich die Elektrizitätswirtschaft in Österreich im Verhältnis zum zweiten Weltkrieg, die nationalsozialistische Arbeitskräftepolitik in der Ostmark und die Zwangsarbeit bei dem Bau der Ennskraftwerke, Margit Reite3r das Tauernkraftwerk Kaprun, Markus Purkhart die Draukraftwerke, Christine Oertel das Umspannwerk Ernsthofen und das Donaukraftwerk Ynns-Persenbeug, während Oliver Rathkolb am Ende an dem Beispiel des Wasserkraftwerks Ybbs-Persenbeug Stellung bezieht zu dem Mythos Wasserkraft zwischen 1938 und 1945 und in der anschließenden Nachkriegselektritzitätswirtschaft in Österreich. Ein Personenregister von Adelbrecht über Göring, Grengg, Hitler und Todt bis Zweimüller schließt den auf einer Datenbank mit mehr als 15000 russischen Kriegsgefangenen, Ostarbeitern, Konzentrationslagerhäftlingen und anderen vom Zwang Betroffenen beruhenden instruktiven Forschungsband benutzerfreundlich auf.
Innsbruck Gerhard Köbler