Martines, Lauro, Blutiges Zeitalter. Europa im Krieg 1450-1700, aus dem Englischen von Hartz, Cornelius. Theiss, Darmstadt 2015. 320 S., 15 Abb.

 

Der Krieg als die Austragung von Streitigkeiten zwischen Völkern oder Staaten mit Gewalt dürfte wohl so alt sein wie die ihn austragenden Völker oder Staaten. Stets dürfte dabei Blut geflossen sein. Allerdings vermehrte sich dessen Menge mit der Zunahme der Menschen auf der Erde, mit der wachsenden Einfallskraft und mit den durch sie gewonnenen Mitteln, die es in der Gegenwart vielleicht sogar ermöglichen könnten, dass ein Einzelner oder ein einzelner Staat die gesamte Menschheit bedroht.

 

Der 1927 in Chicago geborene, in Harvard promovierte, seit 1970 in London lebende, an der University of California tätige Verfasser des vorliegenden Werkes ist anscheinend erstmals 1963 durch eine wichtige Arbeit über The social world of the Florentine humanists zwischen 1390 und 1460 hervorgetreten. Von daher ist er ein hervorragender Kenner der frühen Neuzeit, der aber doch dem vorherrschenden Bild der geistigen und kulturellen Blüte von Humanismus und Renaissance die weitere Erkenntnis gegenüberstellen will, dass zu kaum einer anderen Zeit ein ganzer Kontinent so von Kriegen gezeichnet wird wie Europa am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Nach seinem Nachwort glaubte er vor vielen Jahren als aufstrebender Historiker an der Harvard University, dass die anspruchsvollste Art der Geschichtsforschung in der Verbindung von Hochkultur, Sozialstruktur und Politik liege und die Militärgeschichte die Domäne der Einfallslosen und der einfach Gestrickten sei, doch führte ihn das Interesse an gesellschaftlichen Strukturen, Ideengeschichte, Politik und Kunst auf der Suche nach Substanz zu den Stellen, wo sich Waffengewalt tatsächlich ereignete, wobei er sich bei der Planung des vorliegenden Werkes gegen eine herkömmliche Geschichte der Herrschenden und für eine Geschichte der einfachen Soldaten, der Dorfbewohner und der Bewohner der belagerten und geplünderten Städte entschied, womit verhungernde Armeen, Hungersnöte, Kannibalismus, massive Plünderungen von Lebensmitteln und Vieh, misshandelte Kinder und Frauen, geplünderte Kirchen, verwüstete Bauernhöfe, zerstörte und zu Brennholz verarbeitete Häuser sowie abgeschlachtete Menschen als das wahre Gesicht des Krieges in sein Blickfeld rückten.

 

Die dafür gesammelten vielfältigen Zeugnisse (der vielen Menschen gegenüber vielen Mitmenschen zu allen Zeiten möglichen Grausamkeiten) versammelt er in zehn, einem kurzen Vorspiel folgenden Kapiteln. Sie betreffen ein Kriegsmosaik, Pöbel und Adelige, geplünderte Städte, Waffen und Fürsten, Belagerungen, Armeen als wandernde und sterbende Städte, Plündergut und Beute, die Hölle in den Dörfern, Töten für Gott und das Erheben des Leviathans Staat, wobei er etwa in der deutschen Ausgabe meint, dass ein Historiker, wenn er  einen Krieg untersucht, sich so positionierten (!) sollte, dass auch die Frage von Recht oder Unrecht in sein Blickfeld rückt. Abgerundet wird diese vielfältige, durch Abbildungen (wie etwa einer Reiterschlacht auf einer Brücke von Philip Wouwermann 1609-1668 in Öl auf Leinwand) veranschaulichte farbige Mosaik durch einen Anhang über Geld und die mit den genannten Summen zu verbindenden Werte, Anmerkungen, eine Bibliographie und ein Register von Abjat bis Zweiter  Polnisch-Schwedischer Krieg.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler