Les partis politiques européens face aux premièrs élections directes du Parlement Européen – European Political Parties and the First Direct Elections to the European Parliament, hg. v. Thiemeyer, Guido/Raflik, Jenny (= Schriftenreihe des Instituts für europäische Regionalforschungen 21). Nomos, Baden-Baden 2015. 215 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Menschen haben grundsätzlich individuelle und dementsprechend oft konträre Interessen und wünschen sich dessenungeachtet das größtmögliche vor allem eigene und vielleicht nachrangig auch allgemeine Wohl. Deswegen scheuen sie zwar vor Auseinandersetzung, Gewalt oder Krieg nicht stets zurück, sehen jedoch die dabei erlittenen eigenen Schäden durchaus als Nachteile an. Aus dieser Interessenlage ist nach dem verheerenden zweiten Weltkrieg der Gedanke einer europäischen Gemeinschaft oder Union zum Durchbruch gelangt, mit dessen Hilfe menschliche oder nationale Konflikte möglichst einverständlich bewältigt werden sollen.

 

Allerdings haben die Beteiligten bei diesem Staatenverbund ihre Interessen und ihre Individualität nicht insgesamt aufgegeben, sondern nur soweit, wie ihnen dies noch erträglich erschien. Darüberhinaus sind auch die politischen Interessengegensätze innerhalb der einzelnen Mitgliedstaaten nicht verschwunden. Deswegen war es politisch offen, welches Ergebnis die ersten unmittelbaren Wahlen zu einem europäischen Parlament der europäischen Gemeinschaften im Jahre 1979 haben würden, auch wenn dies nach den Wahlen eindeutig feststellbar war.

 

Über diese interessante Vorfeldproblematik fand im Februar 2012 in Paris und Cergy-Pontoise ein politikwissenschaftliches Gespräch statt, das unter anderem von der Friedrich Ebert-Stiftung  und dem Institut für europäische Regionalforschungen der Universität Siegen unterstützt wurde und in dessen Thematik die beiden  an den Universitäten Düsseldorf und Cergy-Pontoise zeitgeschichtlich tätigen Herausgeber im vorliegenden Sammelwerk zu Beginn einführen. Dem folgen insgesamt zehn Studien über grundsätzliche theoretische Annäherungen, über wichtige politische Parteien (Sozialdemokraten, Christdemokraten und bürgerliche Parteien. Sozialisten und Kommunisten) sowie über wenige ausgewählte europäische Einrichtungen. Am Ende des vielfältigen, auf ein Sachregister verzichtenden schlanken Bandes bietet Gérard Bossuat eine eingehende Zusammenfassung der dabei erörterten Fragen und ermittelten Einsichten, die zeigt, dass auch in der Gemeinschaft individuelle oder partikulare politische Ziele vertreten und verfolgt werden und wohl auch beachtet werden wollen und müssen.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler