Lax, Gregor, Das ‚lineare Modell der Innovation‘ in Westdeutschland. Eine Geschichte der Hierarchiebildung von Grundlagen- und Anwendungsforschung nach 1945 (= Wissenschafts- und Technikforschung 14). Nomos, Baden-Baden 2015. 329 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Geschichte der Menschheit ist trotz langer kaum mutierter Tradition des Menschen als solchen seit seinen ersten Anfängen auch eine Geschichte der Innovation seiner ihn umgebenden Verhältnisse. Wie sie im Einzelnen erfolgte, ist in vielen Hinsichten ungewiss und wohl auch oft nicht mehr aufklärbar. Einen wichtigen Schritt bildete dabei zweifelsohne die Entwicklung von Wissenschaft und Forschung.
Einen bedeutenden Teilaspekt dieser faszinierenden Entwicklung behandelt die vorliegende, zwischen Oktober 2010 und Januar 2014 am Lehrstuhl für historische Wissenschaftsforschung der Universität Bielefeld entstandene, von Carsten Reinhardt betreute, 2014 vorgelegte Dissertation des in Geschichte, Sozialwissenschaft und interdisziplinärer Wissenschaftsforschung ausgebildeten, seit Februar 2014 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz tätigen Verfassers. Sie gliedert sich außer in eine Einführung über Problem, Methodik und Quellen und einen Ausblick in sieben Abschnitte. Sie betreffen die Deutung der Wissenschaft als Ursprung gesellschaftlichen Fortschritts (Peter A. Thiessen, Mitte der 1930er Jahre), Definitionen forschungskategorisierender Begriffe nach 1945, forschungskategorisierende Begriffe in Kontexten der Reorganisation der Wissenschaftslandschaft in den Westzonen, Grundlagen- und Anwendungsforschung unter einem Dach (des Ausschusses für angewandte Forschung der Deutschen Forschungsgemeinschaft), die Reinheit der Wissenschaft, die Freiheit der Wissenschaft und lineare Modelle (Ernst von Siemens).
Da moderne Wissenschaft teuer ist, geht es im Kern um die Verteilung öffentlicher Mittel. Im Ergebnis kann der Verfasser eindrucksvoll aufzeigen, wie nach 1945 humanistisch ausgerichtete Idealvorstellungen und praktisch orientierte wirtschaftliche Erwägungen einander gegenüberstanden und in ein annehmbares Verhältnis zueinander gebracht werden sollten und mussten. Letztlich wurde dabei insgesamt der reinen, freien Grundlagenforschung ein zumindest theoretischer Vorrang gegenüber der Anwendung zugesprochen.
Innsbruck Gerhard Köbler