Krippendorf, Heinrich August, Anekdoten vom württembergischen Hof – Memoiren des Privatsekretärs der herzoglichen Mätresse Christina Wilhelmina von Grävenitz (1714-1738), bearb. v. Brüser, Joachim (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe A Quellen, Band 59). Kohlhammer, Stuttgart 2015. XL, 268 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg wurde 1676 geboren und nach dem frühen Todes seines Vaters schon 1677 regierender Herzog von Württemberg, der 1693 vom Kaiser für volljährig erklärt wurde. 1697 wurde er mit der zwar guten, aber fesselnder Reize baren  Prinzessin Johanna Elisabeth von Baden-Durlach verheiratet, die ihm 1698 einen Thronfolger gebar. Der Herzog wandte sich allerdings sehr rasch anderen Frauen zu, darunter im Gefolge einer geschickt eingefädelten Hofintrige auf Betreiben des Hofmarschalls Johann Friedrich von Stafforst ab 1706 der in Schwerin am 4. Februar 1686 geborenen Schwester des aus Mecklenburg kommenden, in Stuttgart als Kammerjunker tätigen Friedrich Wilhelm von Grävenitz, die er vielleicht im Sommer (Ende Juli) 1707 heiratete und vom Kaiser zur Gräfin von Urach erheben ließ.

 

Danach war das ganze Land empört, das Konsistorium verweigerte dem Herzog die Teilnahme am Abendmahl, die Ehe wurde im Juni 1708 annulliert und Christina Wilhelmina von Grävenitz aus Württemberg verbannt, bis sie infolge einer im November 1710 vertraglich festgelegten und im Januar 1711 geschlossenen Scheinehe mit dem durch gutes Herkommen und schlechtes Vermögen gekennzeichneten schlesisch-böhmischen, in Wien 1721 unbeachtet gestorbenen Grafen Johann Ferdinand von Würben wieder zurückkehrte, weil der Ehefrau des höchsten württembergischen Beamten der Zugang zum Hof nicht zu verweigern war. In der Folge gingen alle Regierungsangelegenheiten durch ihre Hände und wurde sie statt des ihr völlig hörigen Herzogs die tatsächliche Beherrscherin des Landes, bis sie im Mai 1731 vom Herzog verstoßen wurde. Da in den württembergischen Regierungsakten ihr Einfluss kaum greifbar ist, sind die Memoiren des aus Dessau stammenden, 1713 nach Württemberg gelangten, ab 1714 als Privatsekretär der herzoglichen Mätresse und ab 1725 für den Herzog tätigen, nach dem Todes Herzog Karl Alexanders das Land verlassenden und in seinen Anekdoten eine subjektive, strenge, wirklichkeitsnahe Abrechnung verfassenden Heinrich August Krippendorf  besonders bedeutsam.

 

Ihr sachkundiger Bearbeiter ist bereits 2007/2008 durch seine überzeugende Tübinger Dissertation über Herzog Karl Alexander von Württemberg und die Landschaft 1733-1737 hervorgetreten. Nach einer informativen Einleitung über den Herzog und seine Geliebte, Herzog Karl Alexander und Jud Süß Oppenheimer, den Autor und die Handschrift folgen die „Procopii Vessadiensis Anecdota von dem alemannischen Hofe sonderlich von der Fredegonden bis zum Tode Herzog Artamenis 1733, den 31. Octobris, scriptum 1740“. Eine Nachricht von dem Authore dieses Manuscripti und ohnpartheysches Judicium über selbiges, „ein Appendix von dem, was währender Regierung Herzogs Orontis sich zugetragen“, ein Anhang mit fünf ergänzenden Quellen sowie ein Ortsregister und ein Personenregister runden dieverdienstvolle Edition der äußerst interessanten Quelle über einen wesentlichen Abschnitt der Geschichte Württembergs hilfreich ab.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler