Klein, Annika, Korruption und Korruptionsskandale in der Weimarer Republik (= Schriften zur politischen Kommunikation 16). V & R Academic, Göttingen 2014. 530 S., 25 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Nach der Einleitung der Verfasserin wird Korruption seit 1919 zu einem stetig populäreren Schlagwort in zahlreichen Presseartikeln und politischen Debatten. Deswegen ist eine Untersuchung der Korruption und Korruptionsskandale in der Weimarer Republik von großem Interesse, auch wenn es tatsächliche Korruption bereits früher gegeben hat und sie auch nach 1933 fortgeführt wird.  Die in Köln in Geschichte, Anglistik und Germanistik ausgebildete, in Frankfurt am Main und Bologna promovierte Verfasserin bietet sie in überzeugender Ausführlichkeit in ihrer von Andreas Fahrmeir betreuten, im Rahmen des internationalen Graduiertenkollegs Politische Kommunikation von der Antike bis ins 20. Jahrhundert erstellten Dissertation.

 

Gegliedert ist die Untersuchung nach einer Einleitung über Korruption, Skandal und die Weimarer Republik, Quellen und Struktur sowie die Rahmenbedingungen (Politik, Presse und Justiz) in drei chronologisch geordnete Teile. Dabei folgen den Neuanfängen und Altlasten zwischen 1919 und 1923 der Zusammenbruch der Inflationsimperien zwischen 1924 und 1929 und die neuen Machthaber zwischen 1930 und 1933. Als einzelne Vorgänge werden dabei nacheinander behandelt im ersten Teil der Fall Erzberger (kugelrund, aber nicht kugelfest), der Fall Sklarz – Parvus, der Fall Hermes, der Skandalisierungsversuch des Ruhr-Panoramas, der Fall Zeigner (die Bestechungsgans), im zweiten Teil der Fall Stinnes, der Fall Kutisker – Barmat, der Fall Sklarek sowie im dritten Teil die Skandalisierungsversuche Devaheim und Nordwolle, der Fall Raiffeisen – Preußenkasse, der Fall Zarnow, der Fall Reemtsma und der Fall Osthilfe.

 

Im Ergebnis ihrer sorgfältigen, gut lesbaren Recherchen kann die Verfasserin ansprechend feststellen, dass in der Weimarer Republik von Anfang an  die korrumpierende, auf Russland als Herkunftsort bezogene Lasterhaftigkeit der Gegenwart  einem vergangenen Idealzustand deutscher Ehrlichkeit und Treue gegenübergestellt wird. Personifiziert bedeutet dies den korrumpierenden osteuropäischen Schieber mit dem Gegenbild des unkorrumpierbaren preußischen Beamten. Im Einzelnen kann sie dabei fünf Aspekte ermitteln.

 

Danach haben der erste Weltkrieg und die anschließende Revolution einen entscheidenden Einfluss auf korrupte Praktiken, ist der Korruptionsdiskurs durch hohe Anschlussfähigkeit gekennzeichnet, dient der Vorwurf der Korruption als politische Waffe im Machtkampf zwischen Parteien und innerhalb von Parteien, tragen sowohl Gegner der Republik wie Repräsentanten der Republik zu einer gemeinsamen Sprache des allgemeinen Korruptionsdiskurses bei und dienen Korruptionsskandale und Korruptionsdebatten der Verhandlung komplexer politischer Grundsatzfragen. Weil alle Teilnehmer Korruptionsvorwürfe als Instrumente der politischen Auseinandersetzung verwenden, lassen sich Korruptionsvorwürfe am wirksamsten durch Beschuldigungen des politischen Gegners und des von ihnen favorisierten Regierungssystems nutzen. Dabei führt die zunehmende Dominanz antirepublikanischer Teilnehmer im Korruptionsdiskurs zusammen mit der allgemein wachsenden Stärke republikfeindlicher Kräfte dazu, dass die einen scheinbar einen Ausweg aus Krisen, Skandalen sowie Korruption bietenden politischen Akteure (wie Adolf Hitler) in der öffentlichen Meinung zunehmend als attraktive Alternative zur (durch Krisen, Skandale und Korruption) gekennzeichneten Republik erscheinen, obgleich das Streben zur Macht wie ihr Erhalt überall und jederzeit nahezu jedermann zur Nutzung von Korruption führen können.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler