Kellenberger, Jakob, Wo liegt die Schweiz? Gedanken zum Verhältnis CH – EU. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2014. 253 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Die Schweiz liegt geographisch zwischen Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Italien und Frankreich im Herzen Europas. Politisch erscheint sie auf einer Karte der Mitgliedstaaten der Europäischen Union neben Norwegen, Liechtenstein, Teilen des Balkan, der Türkei und Russland als ein weißer Fleck eines Drittstaats. Ihren geschichtlichen Ausgangspunkt hat sie davon genommen, dass der König des Heiligen römischen Reiches zur Sicherung des Gotthardpasses nach Italien 1231 den Leuten von Uri im früheren Herzogtum Schwaben die ewige Reichsunmittelbarkeit verspricht und vielleicht davon, dass sich wenige Tage nach dem Todes des Königs Rudolf von Habsburg am Anfang des Jahres 1291 die Leute von Uri mit den ähnlich berechtigten Leuten von Schwyz und den Leuten von Unterwalden in einem ewigen Bündnis gegen die dieses Vorrecht missachtenden Grafen von Habsburg verbinden und am 15. November 1315 als Eigenossen zu Fuß die habsburgischen Herzöge von Österreich mit ihren Rittern bei Morgarten kämpfend besiegen.

 

Mit der hieraus entstandenen, seit dem Ende des 15, Jahrhunderts mehr und mehr tatsächlich, seit 1648 auch rechtlich vom Heiligen römischen Reich gelösten Schweiz der Gegenwart beschäftigt sich das vorliegende Werk des 1944 in Heiden in dem Kanton Appenzell-Außerrhoden Verfassers. Er war nach dem  mit einer Promotion in Zürich abgeschlossenen Studium der französischen und spanischen Literatur sowie der Linguistik in Zürich, Tours und Granada 1974 in den diplomatischen Dienst der Schweiz eingetreten  und hatte nach einer Tätigkeit in dem Integrationsbüro der Schweiz seit 1989 wichtige Verhandlungen seines Landes  mit der Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union über bilaterale Verträge geleitet. Er kennt also die Lage der Schweiz im Verhältnis zur Europäischen Union bestens.

 

Im Ergebnis sieht er die Schweiz in der Mitte der Europäischen Union gelegen an, und zwar gerade auch in wirtschaftlicher Hinsicht, und hält deshalb eine möglichst enge Verbindung mit der Europäischen Union auch im Interesse der Schweiz selbst für begründet. Sogar die Sicherheit der Schweiz werde nicht wirklich durch ihre Neutralität gesichert, sondern im Wesentlichen durch die sie umgebenden Staaten der Europäischen Union und des Nordatlantischen Verteidigungspakts. Wer aber gewissermaßen im Windschatten anderer möglichst viele Vorteile auskostet, könnte sich eines Tages doch verantwortungsbewusst auch überlegen, ob er nicht die mit dieser Lage und ihren Vorteilen verbundenen oder sachgerecht zu verbindenden Lasten und Pflichten anteilig solidarisch mittragen sollte oder müsste.

 

Innsbruck                                                                  Gerhard Köbler