Hupe, Daniel, Von der Hierarchie zur Egalität in den Zivilrechtskodifikationen des 19. Jahrhunderts vor dem BGB (= Rechtshistorische Reihe 460). Lang, Frankfurt am Main 2015. 227 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Trotz der strukturellen Gleichheit aller Lebewesen der Gattung Mensch waren die einzelnen Menschen von Anfang an in Bezug auf Einzelheiten wie Geschlecht, Alter, Größe, Kraft oder Verstand wohl ungleich. Aus dieser Unterschiedlichkeit haben sich im Laufe der Geschichte die vielfältigsten Hierarchien ergeben. Im politischen Kampf hiergegen haben revolutionäre Denker 1789 die grundsätzliche egalité aller Menschen gefordert und zumindest theoretisch in vielen Lebensbereichen auf der gesamten Erde trotz vieler fortbestehender Unterschiedlichkeiten auch irgendwie durchgesetzt.

 

Mit einem Teilaspekt dieser Entwicklung beschäftigt sich die vorliegende, von Frank L. Schäfer betreute, im Wintersemester 2014/2015 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel angenommene Dissertation des in Kiel ausgebildeten, nach dem Studium von 2011 bis 2014 als wissenschaftlicher Mitarbeiter seines Lehrers tätigen Verfassers. Sie gliedert sich außer in eine Einleitung und eine abschließende Bewertung in drei Teile. Sie betreffen die Entwicklung der Gleichheit ab der Abschaffung der Ständegesellschaft, eine kurze vergleichende Betrachtung zur Entwicklung der Gleichheit und einen ebenfalls kurzen Ausblick auf die Auswirkungen bis zum Bürgerlichen Gesetzbuch des Deutschen Reiches von 1900.

 

Ausgangspunkt sind die Ständegesellschaft und das Allgemeine Landrecht Preußens von 1794 vor allem in Bezug auf die Freiheit im Allgemeinen, das Eherecht und Unterhaltsrecht, die Adoption, die Ehescheidung und die Strafen. Daran werden der Abbau des Patriarchats in der Ehe und der Bevormundung der Kinder sowie der Abbau von Verkehrshindernissen angeschlossen. Insgesamt zeichnet der Verfasser an Hand des Allgemeinen Landrechts, des französischen Code civil, des badischen Landrechts, des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs, des hessischen Entwurfs eine Bürgerlichen Gesetzbuchs, des Privatrechtsgesetzbuchs des Kantons Zürichs, des bayerischen Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Bürgerlichen Gesetzbuchs Sachsens von 1863/1865 die Veränderungen sorgfältig nach und gelangt am Ende zu fünf Thesen, nach denen die Kodifikation eines Zivilgesetzbuchs unabhängig von einer zu Grunde liegenden Verfassung im 19. Jahrhundert die Spitze der jeweiligen Rechtsentwicklung darstellte, die untersuchten Zivilkodifikationen  keineswegs das Ziel einer allgemeinen Gleichheit verfolgten, die zeitliche Reihenfolge der Einführung der einzelnen Bereiche einer zivilrechtlichen Gleichheit keineswegs zufällig war, sondern auf der Abschaffung der Stände beruhte, die Abschaffung des Patriarchats nur ein Nebenprodukt der Kodifikationsbewegung war und schließlich die eigentliche Rechtsfortbildung im Rahmen der Zivilkodifikationen des 19. Jahrhunderts erfolgte, denen gegenüber das Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches von 1900 keine grundlegende Neuheit, sondern nur eine neue Vereinheitlichung war.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler