Hummel, Lars, Allgemeines Gesetz und Einzelfallgerechtigkeit im kanonischen und im staatlichen Recht. Boorberg, Stuttgart 2015. 88 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Kein noch so weitsichtiger Gesetzgeber kann alle unter den Regelungsbereich seiner Normierung fallenden Einzelsachverhalte vorhersehen und ebenso wenig steht vorweg fest, welche Gestaltungen er übersieht, obwohl er sie hätte einbeziehen wollen und sollen, wenn er sie gekannt hätte. Deswegen können allgemeines Gesetz und Einzelfallgerechtigkeit stets in Gegensatz zu einander geraten, obwohl das allgemeine Gesetz auf Verwirklichung grundsätzlicher Gerechtigkeit angelegt ist. Ob sich diese Problematik je ausnahmslos lösen lässt, wird man als eine offene Frage an die Zukunft weiterreichen müssen.
Bereits in der Gegenwart beschäftigt sich mit ihr die vorliegende schlanke Schrift des in Hamburg im Jahre 2007 mit einer Dissertation über Verfassungsrechtsfragen der Verwendung staatlicher Einnahmen – zugleich ein Beitrag zum Finanz- und Haushaltsverfassungsrecht promovierten, an seiner Heimatuniversität als Juniorprofessor tätigen Verfassers. Sie gliedert sich nach einem kurzen Problemaufriss in drei Abschnitte. In ihnen schildert der Verfasser die Allgemeinheit des Gesetzes als Grund für mögliche einzelne Gerechtigkeitsfragen, schließt daran sieben bzw. zwei Instrumente des kanonischen bzw. staatlichen Rechtes zur Förderung der Einzelfallgerechtigkeit an und endet mit zusammenfassenden rechtskreisvergleichenden Überlegungen.
Dabei sieht er im kanonischen Recht die Billigkeitsvorsorge so sehr institutionalisiert, dass sie im Grade der Institutionalisierung nicht mehr wesentlich steigerbar erscheint, wofür allerdings ein bis zur Überlegenheit der Exekutive über das Gesetz reichender Preis zu zahlen sein kann. Demgegenüber ist dem modernen staatlichen Recht ein übergreifendes, von besonderen Ermächtigungen unabhängiges Recht, über das Gesetz zwecks Beförderung der Billigkeit hinauszugreifen, fremd. Bei dieser Verschiedenheit der Gewichtung wird es angesichts des vom Staat durchgesetzten Vorrangs des staatlichen Rechtes gegenüber dem kirchlichen Recht zwar wohl auch auf absehbare Zeit bleiben, doch verdient der Verfasser dessenungeachtet für seine von Stefan Korioth wohl unbewusst ausgelösten grundsätzlichen Überlegungen durchaus Dank und Anerkennung der wissenschaftlichen Öffentlichkeit.
Innsbruck Gerhard Köbler