Hinkfoth, Helmuth, Eckermann. Goethes GesprŠchspartner. Eine Biographie. Verlag des Heimat- und Museumsvereins Winsen (Luhe), Winsen/Luhe 2014. 475 S. Besprochen von Albrecht Gštz von Olenhusen.
Johann Peter Eckermanns ãGesprŠche mit Goethe in den letzten Jahren seines LebensÒ erschienen 1836 in zwei BŠnden bei dem Verlag Brockhaus. Ihre Bedeutung, von Heinrich Laube bis Friedrich Nietzsche gesehen, steht in keinem VerhŠltnis zu der GeringschŠtzung und Fehldeutung ihres Autors schon zu Lebzeiten - von Goethe selbst, von Heinrich Heine bis hin zu Anton Kippenberg , um nur wenige zu nennen, reicht das ãschablonenhafte Zerrbild Eckermanns als eines eher einfŠltig-schlichten, willfŠhrigen Zuarbeiters eines genialen DenkersÒ. (S. 352). Nach Heinrich Hubert Houbens gro§en Biographien (1925, 1928, 1934) hat kein Autor sich mehr dem Lebensweg Eckermanns mit einer so eindringlichen und quellenreichen Ehrenrettung des angeblichen SekretŠrs und ãGoethe-PapageisÒ gewidmet.
Eckermanns Bedeutung fŸr Entstehung und Publikation zahlreicher Werke und der Edition des Nachlasses und der Gesammelten Werke ist gar nicht zu ŸberschŠtzen.
Nach Eduard Hitschmanns negativem psychoanalytischem Bild hat erst Kurt Eisslers wenig beachtete Studie zwanzig Jahre spŠter Licht auf die subtile psychologische Beziehung Eckermanns zu Goethe und vice versa geworfen. Dass im Ÿbrigen Goethe an Eckermanns naiver †berschŠtzung seiner eigenen dichterischen FŠhigkeiten aus krassem Eigeninteresse nicht unschuldig war und eine durchaus mšgliche, erfolgreiche Laufbahn als Essayist und Literaturkritiker bewusst verhinderte, dass Eckermann sich auch selbst im Wege stand und zu einer Art skurrilem Sonderling und Exoten in der arroganten Weimarer Hofgesellschaft wurde Ð dieser von bizarrer Selbst- und FehleinschŠtzung und als Opfergang geprŠgte Lebensweg wirkt eher tragisch denn belustigend. Dass Eckermann im Unterschied zu anderen Mitarbeitern, die eine ungleich bessere Fšrderung Goethes erfuhren, weder zu Lebzeiten des Meisters noch nach seinem Tode eine von ihm sehnlich, wenn auch nicht nicht immer sonderlich geschickt erstrebte auskšmmliche Stellung am Weimarer Hofe erreichte, hatte neben den begrenzten Mitteln des Gro§herzogtums vor allem mit der herablassenden gesellschaftlichen Diskriminierung und der bewussten Ausbeutung Goethes zu tun. Der Genfer Prinzenerzieher FrŽdŽric Soret fand dafŸr die allerdings noch sehr zurŸckhaltende Formel: ãGoethe braucht ihn, fšrdert ihn aber nicht genug.Ò Das war ein allzu beschšnigendes Urteil. Denn Goethe hat kaum etwas zur beruflichen und finanziellen Sicherstellung eines von ihm selbst als wichtig angesehenen und dringend benštigten Mitarbeiters getan.
Als auch von Goethes Erben schlecht entlohnter Hauptherausgeber des literarischen Nachlasses fiel ihm dann in den drei§iger Jahren die aufwendigste KŠrrnerarbeit zu. Ausgenommen war nur der Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter, den Riemer bearbeitete, und der bis zur fŸr 1850 festgelegten Veršffentlichung fertig redigierte Briefwechsel zwischen Goethe und Schiller. 1832 erschien als erster Band der 15 weiteren BŠnde zu Goethes Gesamtwerk der zweite Teil des ãFaustÒ. Goethe selbst hatte erklŠrt, Eckermann habe dessen Vollendung ihm ãextorquiertÒ. 1833 lagen die von Eckermann redigierten BŠnde in der Ausgabe letzter Hand bei Cotta vor. Eckermann hŠtte den Wechsel zu Brockhaus nicht ungern gesehen. Da waren auch eigene Interessen im Spiel.
Zu der ãRektifizierungÒ der ãGesprŠcheÒ durch Goethe, mit denen dieser wohl seinen machtvollen Einfluss auf die postume Publikation geltend machen wollte, kam es nie. Nach anfŠnglichen guten Beziehungen Eckermanns zu seinem Verleger Brockhaus verstrickte sich Eckermann durch eigene FehleinschŠtzungen und wohl auch nicht gut beraten, mit Brockhaus in einen unseligen Prozess. Dieses Verfahren ist nicht nur wesentlich fŸr die spŠte Biografie Eckermanns, sondern bemerkenswert fŸr die zuweilen sehr problematische Beziehung von Autoren zu Verlegern im 19. Jahrhundert. Brockhaus konnte es sich nicht leisten, als betrŸgerischer Nachdrucker zu gelten. Er war als Protagonist fŸr ein neues Urheber- und Verlagsrechtauch rechtspolitisch engagiert und bekannt. Eckermann verlor das strafrechtlich und zivilrechtlich aufgezŠumte Vorgehen gegen Brockhaus. Das ZerwŸrfnis Eckermanns mit Brockhaus war tiefgreifend. Der dritte Band der GesprŠche konnte nicht mehr bei diesem Verlag erscheinen. Eckermann fehlte ohnehin genŸgend Material fŸr einen dritten Band. Er musste auf Sorets Aufzeichnungen zurŸckgreifen. Der Wechsel mit dem Gesamtwerk zu einem anderen Verleger misslang. Dem dritten Band der GesprŠche war bei dem Verlag Heinrichshofen kein Erfolg beschieden. Die BŠnde bei Brockhaus gingen ebenfalls schleppend. Der unaufhaltsame Dauererfolg der GesprŠche stellte sich erst lange nach Eckermanns Tod ein. Einem sensationellen Erfolg stand auch Eckermanns Diskretion Ÿber Goethes Altersjahre, seine bescheidene ZurŸcknahme der eigenen Person und die verŠnderte Situation des literarischen Marktes nach Goethes Tod entgegen.
Eckermanns aufopferndem Wirken fŸr einzelne Werke, deren Fertigstellung und fŸr das Gesamtwerk Goethes, insbesondere fŸr den zweiten Teil des ãFaustÒ wird in dieser fundierten und sehr lesbaren Biografie endlich Gerechtigkeit zuteil. So wie die Weimarer Hofgesellschaft ihn in den 31 Jahren seiner Lebenszeit in Weimar verachtete und verga§ oder die tradierten Vorurteile pflegte, so ist sein Bild in der undankbaren Nachwelt getrŸbt und selten einmal in der Wahrnehmung vorurteilslos prŠsentiert worden. Die sensible Biografie, die Eckermanns SchwŠchen nicht schont, aber sein von Tragik selten freies Leben in den Kontext der Goetheschen Altersbiografie, der Werkgeschichte, des Nachlasses zumal und der Rezeption der ãGesprŠche mit GoetheÒ stellt, greift auch zurecht auf Eckermanns Diktum ãDies ist mein GoetheÒ zurŸck. Damit wird aber Eckermanns eigene, fast zu bescheidene Perspektive herausgehoben: die unterschiedliche Wahrnehmung Goethes durch viele andere, aber seine Darstellung des Genius, wie Eckermann von seinem Standpunkt ihn zu sehen und ihn ãwiederzugeben fŠhig warÒ.
Freiburg/DŸsseldorf Albrecht Gštz von Olenhusen