Heß, Pamela, Geschichte als Politikum. Öffentliche und private Kontroversen um die Deutung der DDR-Vergangenheit. Nomos, Baden-Baden 2014. 305 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Jedes menschliche Verhalten kann in der Gesellschaft eine Stellungnahme von davon Kenntnis erhaltenden Mitmenschen bewirken. Sie kann umso freier sein, je weniger eine Entgegnung durch den Betroffenen zu befürchten ist. Dementsprechend ist die Befassung mit der Deutung einer politischen Vergangenheit naheliegend und zugleich auch als nachträgliche Erklärung sinnstiftend.

 

Das vorliegende Werk ist die nach dem Vorwort durch Margret Rottleuthner-Lutter persönlich engagiert betreute, im Sommer 2014 am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Universität Frankfurt am Main unter dem Titel Geschichte als Politikum. Ein Vergleich öffentlicher und privater Erinnerungen am Beispiel der geschichtspolitischen Kontroversen um die Deutung der DDR-Vergangenheit angenommene Dissertation der Verfasserin. Sie gliedert sich nach einer Einleitung über Geschichte als Politikum in drei Teile. Sie betreffen theoretische Grundlagen, konzeptionelle Einbettung und Begriffserklärung, den Forschungsgegenstand (öffentliche DDR-Erinnerungen als Ausdruck geschichtspolitischer Kontroversen, private DDR-Erinnerungen als Ausdruck eines vielfältigen Erfahrungsraums) und empirische Auswertungen.

 

Im ansprechenden Ergebnis der Verfasserin unterscheiden sich die öffentlichen Erinnerungen in den politischen Dokumenten und in den Pressemedien dadurch, dass in der Presse die Deutsche Demokratische Republik etwas vielschichtiger und weniger homogen dargestellt wird als in der politischen Aufarbeitung. In Interviews mit fünf Familien zeigten sich  mit Einschluss der so genannten Wendekinder (im Gegensatz zu den Ergebnissen der ersten freien Wahlen des Jahres 1990) überwiegend positive Erinnerungen (Menschlichkeit, gesellschaftlicher Zusammenhalt, soziale Sicherheit, vorbildliche Kinderbetreuung), während nur eine Familie Eingesperrtsein, Kontrolle und zentralistische Ordnung bemängelte. Insgesamt könnte nach der Ansicht der Verfasserin der Generationenwechsel die politische legitimierende Stabilisierungsfunktion von Geschichte wohl begünstigen.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler