Haag, Maike-Franziska van, Recht in der Hausväterliteratur. Der „Oeconomus Prudens et Legalis“ von Franz Philipp Florin im Kontext seiner Zeit (= Juristische Schriftenreihe 276). LIT, Berlin 2014. XIX, 207 S. Zugleich Diss. jur. Bonn 2013. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.

 

Die im Wintersemester 2013/2014 an der Universität Bonn abgeschlossene und von Mathias Schmoeckel betreute Dissertation befasst sich mit einem Beispiel der besonders im 17. und 18. Jahrhundert blühenden Literatur für Hausväter. Wohl zeitgleich mit der Autorin erarbeitete Ulrike Kruse ‚Der Natur-Diskurs in Hausväterliteratur…‘ in Göttingen als Dissertation und zeigte damit das andauernde Interesse an dieser Literaturgattung. Die Verfasserin stellt ihrer Untersuchung Fragen voran, die sie im Rahmen ihrer Arbeit beantworten möchte. Als zentrale Frage (S. 12) möchte sie behandeln: Wofür steht der Oeconomus Prudens et Legalis im Kontext seiner Zeit ?

 

Auf dem Wege zu diesem anspruchsvollen Ziel gibt die Verfasserin nach der Einleitung einen Überblick zum Verhältnis von Oekonomiken und Hausväterliteratur. Dabei geht sie auf Otto Brunners Formel vom ‚ganzen Haus‘ ein, ohne sich intensiv mit den kritischen Einwänden auseinanderzusetzen, die seit Jahren hiergegen erhoben werden und die Valentin Groebner 1995 sorgfältig erörterte. Weiterhin streift sie die Haustafel in Luthers Kleinem Katechismus. Die Haustafel, die Luther erstmals in der Ausgabe des Kleinen Katechismus von 1529 (in Wittenberg und auch in Marburg gedruckt) aufführt, wendet sich an unterschiedliche Gruppen und ist eine Aneinanderreihung von elf neutestamentalischen Sprüchen. Statt hierzu die entsprechenden Absätze in Luthers Haustafel zu erwähnen, wird jeweils Sekundärliteratur zitiert. Hier wäre eine Auseinandersetzung mit dem Originaltext zu erwarten gewesen, um die in der Literatur entwickelten Deutungen von Luthers Hausbegriff und seinem Hausväterbegriff begründet darzustellen. Warum die Autorin unter den zahlreichen Auflagen des Kleinen Katechismus für ihre Zitate gerade eine Ausgabe von 1862 wählt, wird nicht erklärt. Luthers Hausstand war die Familie, die in der christlichen Gesellschaft eine bedeutsame Stellung einnahm, Luthers Hausvater war Lehrer und Bischof seiner Familie. Mit seiner Haustafel stellte er sich in einen Gegensatz zur vorreformatorischen Abwertung der weltlichen Stände gegenüber den geistlichen Ständen. Priesteramt, Ehestand und die weltliche Obrigkeit waren für Luther die von Gott gestifteten Orden. Sie fanden in die Haustafel Eingang und biblisch begründete Darstellung. Die Autorin geht dann über zur Hausväterliteratur und stellt fest: ‘Die Hausväterbücher waren umfangreiche Werke der Buchdruckkunst, die käuflich erworben werden konnten‘ (S. 46). Wer hätte um 1700 ein Werk, das im Druck etwa 1150 Seiten umfasste, handschriftlich vervielfältigt und dann verschenkt? Zu den Lesefrüchten der Autorin in Sekundärliteratur und Handbuchartikeln gehört auch die Erkenntnis, dass in den katholischen Territorien (anders als in den protestantischen Landen) Latein die vorherrschende Wissenschafts- und Bildungssprache geblieben sei (S. 47). Ein kurzer Blick in die Titelliste der Sammelwerke der Drucke des 16., 17. oder 18. Jahrhunderts hätte sicher zu einer anderen Erkenntnis geführt. Wenn die Autorin die Verbreitung der Hausväterliteratur auf Bedarf nach Ratschlag wegen des prekären wirtschaftlichen Niedergangs und ein Bedürfnis nach Antworten in jeder Hinsicht zurückführen möchte, so verkennt sie dabei, daß erst die weite Verbreitung der Lesefähigkeit durch ein verbessertes Schulwesen genügend Leser schuf, die ihre Bildung im Alltagsleben förderten.

 

Im Abschnitt B wendet sich die Verfasserin dem Werk Franz Philipp Florins ‚Oeconomus prudens et legalis‘ als ihrem eigentlichen Untersuchungsgegenstand zu (S. 53). Im Quellenbericht erwähnt die Autorin unter Verweis auf eine Sekundärquelle des Jahres 1865, die von ihr behandelte Arbeit sei ‚sieben bis achtmal neu aufgelegt worden‘ (S.9), diese Zahl schrumpft später (S. 65) auf mindestens drei Auflagen (Ausgaben ?) der Jahre 1702, 1705 und 1748. Aus den Jahren zwischen 1702 und 1794 konnte der Rezensent 12 verschiedene Drucke feststellen, zu denen dann noch verschiedene Drucke von Florins ‚Der kluge Landmann‘ kommen, dessen Stellung zu dem ‚Oeconomus prudens …‘ die Autorin nicht erörtert. Eine Klärung, ob es sich bei den verschiedenen Drucken um Nachdrucke oder Neuausgaben handelt, ist gerade das Merkmal gründlicher Dissertationen, wenn das Thema verschiedener Ausgaben überhaupt erwähnt wird. Als Quellen zum Werke Florins verweist die Autorin auf Johann Coler und Wolf Helmhard von Hohberg hin. Hierbei hat sie ersichtlich zwar Kurt Lindners Studie (1973) zitiert (S. 10 Anm. 2), fraglich ist, ob sie diese Arbeit und die Frankfurter Dissertation Philip Hahns (2009) zur Kenntnis nahm, die sich intensiv mit der Druckgeschichte von Colers Werk befasst haben. Colers ursprüngliche Ausgabe erschien in Wittenberg (1593), erst 1645 wurde sie in Mainz durch Jesuiten bearbeitet und erschien dann unter dem Namen Oeconomia ruralis et domestica. Mit Hohberg hat sich auch Otto Brunner befasst, seine Frühbefassung (1944/1945) mit diesem Thema wäre als Beleg für eine zeitbedingte Sichtweise zu prüfen gewesen. Welche der unterschiedlichen Fassungen von Colers oder Hohbergs Werken als Quelle zu Florin gedient haben könnten, kann nur ein detaillierter Vergleich ergeben, den die Autorin nicht anstellt. Eine äußere Beschreibung des Werkes lässt die Autorin folgen und geht dabei auf das Druckprivileg Lothar Franz von Schönborns ein. Zu Schönborn zitiert sie den für seine Zeit (1891) aktuellen ADB-Artikel, statt sich mit den neueren Ergebnissen Christof Dahms (1995) im Biographisch Bibliographischen Kirchenlexikon auseinanderzusetzen. Die im Barock überaus ausführlichen Titelangaben zitiert die Autorin für die neun Bücher (S. 60-65) des Werkes. Mit ausführlichen Zitaten aus Einleitung und 1. Kapitel (S. 68-88) setzt die Autorin die Darstellung von Florins Werk fort. Erst dann kommt die Autorin zum eigentlichen Thema der Arbeit, dem Recht im Oeconomus prudens et legalis. Rechtliche Hinweise finden sich in den meisten Kapiteln der neun Bücher, sie gehen wohl auf Florin zurück und geben allgemeine Rechtsratschläge. Von ihnen getrennt zu sehen sind die, vielen Kapiteln nachgestellten, ‚Rechts-Anmerckungen‘. Bei der Schilderung des Verfassers der ‚Rechts-Anmerckungen‘ stützt sich die Autorin auf eine biographische Studie (1803), während eine ausführliche Auswertung der Leichenpredigt, die Rudolf Lenz und Gundolf Keil (1975) erarbeitet haben, nicht herangezogen ist, so dass die Autorin feststellte: eine ‚konkretere Einordnung ist mangels Literatur nicht möglich‘ (S. 92). Die ‚Rechts-Anmerckungen‘ wertet die Autorin sorgfältig aus, indem sie eine quantitative Analyse erstellt. Aus der Seitenzahl der einzelnen Bücher und dem Umfang der einzelnen Anmerkungen je Buch ermittelt sie bis auf zwei Dezimalstellen nach dem Komma den Umfang, den das Recht in dem Buch einnimmt, es sind tatsächlich 16,28 % des Gesamtwerks. Die Erkenntnis wird noch durch die Beobachtung vertieft, dass von den 565 „Capiteln“ 262 ‚Rechts-Anmerckungen‘ haben, also 51,68 % (S. 94). Judex non calculat war ein Spruch von einst. Als Stecher der zahlreichen Illustrationen des Werkes, der gelegentlich mit A.C.F. oder Aug. Chr. Fleischm. signiert, macht die Verfasserin August Christian Fleischmann, von dem zwischen 1704 und 1732 Arbeiten belegt sind, wahrscheinlich (S. 99).

 

Zu der Analyse der ‚Rechts-Anmerkungen‘ von Johann Christoph Donauer beschreibt die Verfasserin ihre Schwierigkeiten, die Abkürzungen aufzulösen und die Entschlüsselung der genannten Juristen zu klären, als herausfordernd. Diese Einschränkungen führen dann dazu, daß sie sich allein mit den Anmerkungen zur Ehe befasst, die Florin im Buch I, Kapitel IV, in 28 Paragraphen behandelt (S.12-18 seines Werkes). Donauers ‚Rechts-Anmerckungen‘ dazu finden sich auf weiteren vier Seiten. Hierzu teilt die Autorin (S. 104-142) die Autoren mit, welche Donauer zitiert hat. Eine Darstellung oder gar eine Auseinandersetzung mit den Rechtsansichten der zitierten Autoren erfolgt nicht. Florins Aussage zu einer Heirat im späten Alter, „daß Eltern ihre Kinder nicht erziehen könnten und unerzogene Weisen in der Welt andern zur Last hinter sich lassen müssen so mögte man das junge Freyen vor jenen erwehlen“ fasst die Autorin zusammen als „dass man seine eigenen Kinder zu Waisen machen würde, würde man zu spät ‚freyen“. Ähnliche Sinnentstellungen sind nicht selten. Unklare Hinweise in den gefundenen Zitaten nennt die Verfasserin zwar, sie sucht diese jedoch nicht zu klären, beispielhaft (S. 145) erwähnt sie aus Joachim Hoppes Commentatio succinta …(1725) „einen Einzelfall, welcher nicht dargestellt wird“. Liest man im I. Buch, Titel X De computatione  graduum, § 17 (am Ende, d.i. S. 85) man, so findet man die köstliche Verwandtschaftsverwirrung des Familienrechts bei der Hochzeit der Enkelin mit dem Großvater, die dazu führen soll, dass ‚diejenigen welche erst Tochter sagten, nun Mutter sagen musten, und die erst Vater und Mutter sagte, nun Sohn und Tochter, und die erst Groß-Vater sagte, nun Mann und Erhalter sagen muste …‘. Dieses Beispiel zeigt, dass die Verfasserin sich überwiegend auf eine reine Textwiedergabe von Donauers Angaben beschränkt. Als eine eigenständige Leistung ist indes ihre Auswertung der im Buch I, Kapitel IV, genannten Autoren anzusehen, bei der sie dazu kommt, dass die 50 Autoren des 16. und 17. Jahrhunderts ausschließlich der reformierten Kirche zuzuordnen seien (S. 161). Bei dem gewählten Thema ist dies ein spärlicher Ertrag, zumal nicht zu erkennen ist, ob diese Aussage auch für die anderen Bücher dieses umfangreichen Werkes gilt. Nicht zuzustimmen ist der Verfasserin in der Aussage, in die Darstellung Donauers seien eigene rechtliche Ansichten und Vorstellungen nicht eingeflossen und er beschränke sich auf die Darstellung der Ansichten von anderen (S. 173). Gerade in der Auswahl der Autoren für die Bestätigung seiner dargestellten Ansichten liegt Donauers eigene Stellungnahme. Inwieweit die bei den zitierten Autoren geäußerten Meinungen untereinander abweichen, und möglicherweise auch von Donauers Darstellung, prüft die Verfasserin nicht.

 

Nach der Arbeit der Verfasserin bleibt eine rechtliche Würdigung des ‚Recht[s] in der Hausväterliteratur‘ ein zu erforschendes Thema, die Verfasserin hat immerhin auf die Fragestellung aufmerksam gemacht. Ob nicht der Betreuer der Arbeit durch eine angemessene Beschränkung des Themas zu einem anderen Verlauf und Erfolg der Arbeit hätte beitragen können ist zu bedenken. Die anfangs gestellte Frage ist jedenfalls nicht beantwortet.

 

Neu-Ulm                                                                                                       Ulrich-Dieter Oppitz