Gruenewaldt, Arthur von, Die Richterschaft des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in der Zeit des Nationalsozialismus. Die Personalpolitik und Personalentwicklung (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 83). Mohr Siebeck, Tübingen 2015. XVII, 403 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Richter des Deutschen Reiches zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 hatten Recht zu sprechen wie alle Richter jeder anderen Zeit und waren doch wohl stärker an politische Voraussetzungen gebunden als ihre vorangehenden und ihre nachfolgenden Kollegen. Wie sie in der Rechtswirklichkeit handelten, ist für manche Einzelfälle bereits detailliert und weiterführend untersucht. Eine vollständige Behandlung auf Grund umfassender Verwertung aller vorhandenen Unterlagen steht aber noch aus und ist vielleicht auch erschöpfend niemals möglich.

 

Die vorliegende, von Werner Schubert betreute, im Sommersemester 2014 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel als Dissertation angenommene, im Druck mit einem Geleitwort des derzeitigen Oberlandesgerichtspräsidenten versehene Untersuchung geht die Thematik auf der verhältnismäßig breiten Grundlage der Richterschaft eines bedeutenden Oberlandesgerichts an. Sie gliedert sich nach einer Einleitung über Thematik, Gliederung, Forschungsstand und Quellenlage in sieben Sachkapitel. Sie betreffen die Geschichte des Oberlandesgerichts vor 1933, die politischen Verhältnisse in dem Oberlandesgerichtsbezirk in der nationalsozialistisch beherrschten Zeit, das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in der nationalsozialistische beherrschten Zeit, Einzelbiographien (die Präsidenten Bernhard Hempen, Otto Stadelmann, Arthur Ungewitter, die Generalstaatsanwälte Kurt Wackermann, Hermann Vetter, die Vizepräsidenten (Heldemann, Rehorn), die Senatspräsidenten (Daltrop, Führ, Moehrs, Quint), die nationalsozialistische Personalpolitik und ihre Umsetzung, (Kollektivbiographie) die Richterschaft und das Oberlandesgericht in der Nachkriegszeit. In der Schlussbetrachtung werden die Einzelergebnisse über das Gesamtthema zusammengeführt.

 

Insgesamt gelangt der Verfasser auf der Grundlage seiner eindringlichen Untersuchungen zu der Erkenntnis, dass sich die Justiz bzw. die Juristen (des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main) in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft wie auch große Teile anderer staatlicher Institutionen aus individuellen, sozialen und politischen Gründen in stark begrenzten Handlungsspielräumen zügig anpassten und nicht wenige Justizbeamte die Entrechtung jüdischer Kollegen und die antijüdische Rechtsprechung akzeptierten.. Gefördert wurde dabei die Bejahung des Nationalsozialismus durch eine bewusst gesteuerte Personalpolitik, in der die Schlüsselstellen mit überzeugten Anhängern besetzt wurden. Insbesondere die Präsidenten Stadelmann und Ungewitter wirkten hier aus Überzeugung bzw. Karrierismus aktiv, so dass der Verfasser am Ende feststellen kann, dass auch die Richterschaft des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main sich überwiegend den Verhältnissen und Vorgaben des Regimes unterordnete, sich den teilweise verbrecherischen Aufgaben willfährig fügte und damit das nationalsozialistische System mittrug.

 

Im Anhang bietet die überzeugende, eine bisherige Lücke schließende Arbeit eine Besetzungsliste des Oberlandesgerichts in der nationalsozialistischen Zeit – Verwendung nach 1945 (mit etwas geringerer Kontinuität) mit etwa 50 Richtern. Das Quellenverzeichnis belegt insbesondere die große Zahl ausgewerteter ungedruckter Quellen. Ein Personenregister und ein Sachregister schließen das wertvolle Anstöße für weitere Untersuchungen bietende Werk benutzerfreundlich auf.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler