Groß, Florian, Integration durch Standardisierung. Maßreformen in Deutschland im 19. Jahrhundert (= Schriftenreihe des Instituts für europäische Regionalforschungen 33). Nomos, Baden-Baden 2015. 445 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Dass das Messen für die Bewältigung des Alltags sehr hilfreich sein kann, hat der verständige Mensch wohl bereits früh erkannt und dann beispielsweise den Fuß, die Elle oder den Schritt in einer festgelegten durchschnittlichen Länge verwendet. Wie sich aber die einzelnen Sprachen bisher noch nicht zu einer allgemeinen Einheitssprache entwickelt haben, hat trotz zunehmender Begegnungsmöglichkeiten ein einheitliches Weltmaß eigentlich bis zur Gegenwart auf sich warten lassen, so dass sich Meter, Kilometer und Zentimeter sowie Kilogramm  noch heute von Yards, Inches und Meilen sowie Stone grundsätzlich unterscheiden.

 

Mit einem Teilaspekt der gleichwohl bisher erfolgten teilweisen Standardisierung beschäftigt sich die von Gerold Ambrosius betreute, von der philosophischen Fakultät der Universität Siegen im Jahre 2014 angenommene, während dreijähriger Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem Institut für europäische Regionalforschungen der Universität Siegen im Rahmen eines Projekts der Deutschen Forschungsgemeinschaft entstandene Dissertation des in Geschichtswissenschaft, Sozialwissenschaft und Wirtschaftswissenschaft in Siegen, Basel und Kaiserslautern ausgebildeten, inzwischen in einer Personalberatung beschäftigten und als freiberuflicher Historiker tätigen Verfassers. Sie gliedert sich nach einer Einleitung über Aufbau und Ziele, Fragestellungen und Hypothesen, Themenbegrenzung, Forschungsstand und Quellenlage sowie Begrifflichkeiten in fünf Abschnitte. Sie betreffen Hintergründe, Rahmenbedingungen und Strukturen der Vereinheitlichung der Maße und Gewichte, die einzelstaatliche Standardisierung zwischen 1800 und 1860 (Preußen, Württemberg, Bayern, Sachsen, Hannover, Baden, Nassau, Bremen, Hamburg und Frankfurt am Main), die Standardisierung auf gemeinschaftlicher Ebene zwischen 1806 und 1858, die Standardisierung auf der Ebene der Bundeskommissionen zwischen 1859 und 1866 sowie die Einfluss nehmenden Akteure (Staaten, überstaatliche Institutionen, Akademien und Sachverständige, Handelskammern, Vereine und Verbände und weitere Akteure aus Wirtschaft und Gesellschaft) und ihre Gründe.

 

Im vielleicht auch noch klarer darzulegenden Ergebnis kann er nach sorgfältiger, quellengesättigter Ermittlung im Grunde seine acht am Beginn der Arbeit dargelegten Hypothesen als erwiesen feststellen. Danach waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus unterschiedlichen Gründen in dem deutschen Maßwesen große regionale Unterschiede (Süden, Preußen, Norden) festzustellen, waren Staaten wie Preußen und Bayern, die gerade ein eigenes nichtmetrisches Maßsystem (z. B. in Preußen auf der Grundlage des preußischen Fußes) eingerichtet hatten, weniger bereit, sich an einer metrischen Standardisierung in dem gesamten deutschen Raum zu beteiligen, während im metrologischen Sinne rückständigere Länder wie Hannover, Sachsen, Hamburg oder Bremen eher zur Befürwortung gemeinsamer metrologischer Standards neigten, war die Standardisierung im regionalen Kontext einfacher als auf Bundesebene oder Zollvereinsebene, kam Preußen eine Schlüsselrolle zu, hatten nichtstaatliche Akteure wie Handelskammern, Vereine und Verbände einen bedeutenden Einfluss, spielten metrologische Experten der Universitäten und Akademien, Technik und der öffentlichen Verwaltung eine wichtige Rolle und war nach Einführung des Halbkilogrammgewichts als Zollpfund bzw. des Zollzentners zu 500 Kilogramm für den Außenhandel mit dem Zollverein (nach Übersendung der Normalgewichte an die Eichanstalten im Juli 1858) die Übernahme des metrischen Systems im gesamten deutschen Raum auf Dauer unausweichlich, so dass Preußen nach dem Sieg in den innerdeutschen Auseinandersetzungen das metrische System zu dem allgemeinen deutschen Maßsystem erhob. Jedenfalls lässt sich mit der kaiserlichen Maßordnung des Jahres 1872 von deutschen Maßen und Gewichten sprechen, wobei im Übrigen die zunehmende Globalisierung der Gegenwart letztlich auch global einheitliche Maße und Gewichte als vorteilhaft erscheinen lassen sollte.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler