Graumann, Sabine, Preußische Verwaltung im Kreis Bergheim um 1840 (= Studien zur Geschichte an Rhein und Erft 5), zwei Teile. Böhlau, Köln 2014, 2015. 736 S., 737-1460 S., Kt.-Beil., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Da Verfassung vergeht und Verwaltung besteht, ist das Interesse an dem kürzeren Vergänglichen meist größer als an dem wenig veränderlichen Dauerhaften, doch hat naturgemäß auch die menschliche Verwaltung einen Anfang und ändert sich im Laufe der Zeit, wenn auch eher langsam und allmählich. Dementsprechend steht die Verwaltungsgeschichtsschreibung nicht im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses und ist nach dem Grußwort des amtierenden Landrats des Rhein-Erft-Kreises die Geschichte des Erftlandes unter der mit dem Wiener Kongress der Jahre 1814/1815 beginnenden und bis 1945 währenden Herrschaft Preußens bisher wenig erforscht. Die Bearbeitung des so genannten Dienstjournals des Bürgermeisters der zum Kreis Bergheim in dem Regierungsbezirk Köln in der Provinz Rheinland gehörenden Bürgermeisterei Esch bot einen guten Anlass, die Verwaltungsgeschichte für den alten Kreis Bergheim nachzuzeichnen und die Ergebnisse der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

 

Die der Veröffentlichung zu Grunde liegende, vor einiger Zeit (wieder) aufgefundene handschriftliche Quelle aus dem Kreisarchiv des Rhein-Erft-Kreises in Bergheim stammt von dem Escher Bürgermeister Eliph Kessel (1791-1873) und umfasst rund 650 Seiten aus den elf Jahren zwischen 1837 und 1848. Sie wurde zunächst transkribiert und danach neu geordnet, um die Verwaltungsstrukturen erfassen und beschreiben sowie einen Aktenplan ermitteln zu können. Diese Arbeiten übernahm für das Kreisarchiv Sabine Graumann, die 1989 in Düsseldorf mit einer Dissertation über die französische Verwaltung am Niederrhein am Beispiel des Roerdepartements zwischen 1798 und 1814 promoviert worden war.

 

Sie gliedert ihr sehr umfangreiches und überzeugendes Ergebnis in insgesamt elf Teile, von denen der einer kurzen Einleitung folgende zweite Teil über die preußische Herrschaft im Rheinland neben der Edition des Dienstjournals der gewichtigste ist. Er ist eingeteilt in die Abschnitte allgemeine Staatsverwaltung von Berlin über Koblenz und Köln nach Bergheim einschließlich der ersten beiden Landräte des Kreises Bergheim und ihres geringen Hilfspersonals, die Bürgermeisterei Esch mit Bürgermeister Eliph Kessel und seinen Beigeordneten, dem Gemeinderat, dem Gemeindevorsteher sowie der Polizeidiener, Feldhüter und Nachtwächter und schließlich den Dienstalltag. In ihm geht es um Gesetzessammlungen, Landeshoheitssachen, Landtagswahlen, Grenzsachen, Staatsangehörigkeitsangelegenheiten, Provinzial- und Kreisverwaltung, Kunst und Wissenschaft, Statistik und Zeitungsberichte, um die Kommunalverfassung, um das Gemeindevermögen einschließlich des Bauwesens und des Forstwesens, um Armensachen, um Kultus und Unterricht, um Polizei (allgemeine Polizei, Sicherheitspolizei, Gefängnispolizei, Gewerbepolizei, Feuerpolizei, Baupolizei, Straßenpolizei, Medizinalpolizei, Beerdigungspolizei, Gesindepolizei, Wasserpolizei, Feldpolizei, Forstpolizei, Jagdpolizei einschließlich der Standesamtsangelegenheiten), Militär, Steuersachen (Grundsteuer, Klassensteuer, Gewerbesteuer, indirekte Steuern) und am Ende um die durchaus komplexe Justiz.

 

Wie die anschließend an einen Anhang auf den Seiten 329ff. edierten Aufzeichnungen des Bürgermeisters (Abschnitt E, S. 333-1275) dokumentieren, standen die Wahrung von Sicherheit und Ordnung, die Finanzen und die militärische Aushebung im Mittelpunkt der Verwaltungstätigkeit. Die Umsetzung der preußischen Staatsmacht in der fernen Bürgermeisterei kann die Verfasserin am Ende als durchaus gelungen bezeichnen. Weitere Abschnitte bieten ein Glossar, einen Aktenplan zum Dienstjournal, einen Abbildungsnachweis, ein Quellen- und Literaturverzeichnis, Abkürzungen und Siglen sowie je ein Personenregister, Ortsregister und Sachregister, so dass der Verfasserin insgesamt eine vorzügliche, weiterführende Leistung zu bescheinigen ist, die hervorragende Einblicke in die rheinische Verwaltung des früheren 19. Jahrhunderts gewährt und deswegen auch ein gelungenes Vorbild für ähnliche weitere Vorhaben zur Aufhellung des meist wenig spektakulären Verwaltungsalltags sein könnte.

 

Innsbruck                                                                                          Gerhard Köbler