Foschepoth, Josef, Überwachtes Deutschland. Post- und Telefonüberwachung in der alten Bundesrepublik, 4. Aufl. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014. 378 S., Graf., Abb., Tab. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der Mensch hat sich von Anfang an außer für sich selbst auch für die Gedanken anderer interessiert, die er nach dem jetzigen Stand des Wissens vor einer Äußerung grundsätzlich nicht kennen kann, aber vielfach gerne kennen würde. Umgekehrt möchte er seine eigenen Gedanken, solange er sie nicht äußert, von fremden Zugriffen nach Möglichkeit frei halten. Mit der Entstehung allein bereits der Schrift und dann der Beförderung von Schriften durch die Post sind daraus neue Gefahren für ihn entstanden, zu deren Abwehr 1690 die Unverletzlichkeit des Postgeheimnisses auf allen Postwegen des heiligen römischen Reiches garantiert wurde, ohne dass sich im Laufe der weiteren Entwicklung die mit neuen Techniken verbundenen neuen Gefahren für den Einzelnen grundsätzlich ausschließen ließen.

 

Mit einem modernen Teilaspekt dieser Problematik beschäftigt sich die vorliegende Untersuchung des in Werl 1947 geborenen, im Geschichte, Theologie und Sozialwissenschaften ausgebildeten, in Münster 1975 mit einer Dissertation über Reformation und Bauernkrieg im Geschichtsbild der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik promovierten, danach als Studienrat am evangelisch stiftischen Gymnasium Gütersloh, als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut London, als Geschäftsführer der privaten AKAD Privathochschulen GmbH, als Rektor an der wissenschaftlichen Hochschule Lahr und seit 2005 als außerplanmäßiger Professor für Zeitgeschichte der Universität Freiburg im Breisgau tätigen Verfassers. Sie gliedert sich nach einer Einleitung mit einem neuen Blick auf Forschungsgegenstand, Quellen und Fragestellungen in fünf Sachkapitel. Sie betreffen die Überwachung von Post und Telefon in der Bundesrepublik Deutschland durch die westlichen Alliierten zwischen 1949 und 1968, die gleichzeitige Überwachung durch die Bundesrepublik selbst, die Abhöraffäre der Jahre 1963/1964, die Weichenstellung für eine dauerhafte Überwachung im Jahre 1968 mittels der Notstandsgesetze und der G 10-Gesetzgebung mit alliierten Rechten als bleibender Hypothek und die Überwachungspraxis der Deutschen in der Bundesrepublik und in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik und werden durch eine Quellendokumentation auf den Seiten 275ff. vorteilhaft abgerundet.

 

Im Ergebnis kann der Verfasser in erstmaliger Auswertung geheimer Akten der Bundesregierung Deutschlands einleuchtend feststellen, dass die Überwachung des Postverkehrs und des Fernmeldeverkehrs ein wesentlicher Teil der Bildung der Bundesrepublik Deutschland war. Bundesrepublik Deutschland und die ehemalige Deutsche Demokratische Republik kannten in ihren Verfassungen in gleicher Weise ein Postgeheimnis und ein Fernmeldegeheimnis, das sie in zumindest ähnlicher Weise lange Zeit verletzten. Dementsprechend sieht der Autor, dessen vielfältige bedeutsame Forschungserkenntnisse in kürzester Zeit bisher vier Auflagen erfuhren, am Ende eine neue, große Herausforderung der Zeitgeschichte, wenn in den nächsten Jahren Millionen bisher verschlossener Akten zusätzlich zur Verfügung gestellt werden, die zeigen können, wie der übermächtige Staat nicht nur anderswo, sondern auch im so genannten Rechtsstaat zur Abwehr behaupteter Gefahren den geschützten Äußerungen seiner meist arglosen und wehrlosen Bürger geheim und bedenkenarm mit allen ihm verfügbaren Mitteln nachspürt.

 

Innsbruck                                                                                          Gerhard Köbler