Floßmann, Ursula/Kalb, Herbert/Neuwirth, Karin, Österreichische Privatrechtsgeschichte. Lehrbuch, 7. Aufl. Verlag Österreich, Wien 2014. XVIII, 450 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Dass als Folge des wachsenden Umfangs des Rechtes und der Entstehung des von den einzelnen Angehörigen der Gesellschaft getrennten Staates eine Gliederung des gesamten auf Gerechtigkeit angelegten Sachstoffs in ein ius publicum und ein nach dessen Abtrennung verbleibendes ius privatum möglich und sinnvoll ist, haben bereits die römischen Rechtskundigen der spätklassischen Zeit erkannt. Zu einer Herausbildung eines besonderen ius publicum kommt es aber anscheinend erst seit dem 16. Jahrhundert, in dem dieser Sachgegenstand an den Universitäten getrennt von dem übrigen Rechtsstoff behandelt wird. Das Wort Privatrecht scheint deshalb auch erst im Jahre 1721 belegt.

 

Eine grundsätzliche Trennung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht wird im 18. und 19. Jahrhundert vollzogen. Von einer besonderen Privatrechtsgeschichte wird demgegenüber aber bewusst anscheinend erst im 20. Jahrhundert gesprochen, in dem im Deutschen Reich 1935 zwecks Verbesserung der juristischen Ausbildung das Fach Privatrechtsgeschichte der Neuzeit eingeführt wird. Zwar hat Gunter Wesener in seiner grundlegenden Studie über Anfänge und Entwicklung der österreichischen Privatrechtsgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert zahlreiche österreichische Rechtslehrer namhaft gemacht, die sich bereits zu dieser Zeit mit der Geschichte des Privatrechts befasst haben, doch scheint nach Ausweis einer eigenen Sammlung von Biographien und Literaturtiteln die Bezeichnung Privatrechtsgeschichte erst in den Quellen zur neueren Privatrechtsgeschichte Deutschlands im Auftrag der Straßburger Wissenschaftlichen Gesellschaft an der Universität Frankfurt herausgegeben und gemeinsam mit Wolfgang Kunkel und Hans Thieme bearbeitet von Franz Beyerle 1936ff. auf. Danach hat anscheinend Franz Wieacker, 1935 beeinflusst von Karl Michaelis, bereits bis 1944 eine 1952 veröffentlichte Privatrechtsgeschichte der Neuzeit vorformuliert, hat sich Hans Thieme 1947 zu dem Thema das Naturrecht und die europäische Privatrechtsgeschichte geäußert, hat Erich Molitor Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte 1949 vorgelegt, die später Hans Schlosser bis zur Gegenwartsehr erfolgreich fortsetzte und ist ihnen Gerhard Wesenberg mit einer 1954 publizierten Neueren deutschen Privatrechtsgeschichte gefolgt, die Gunter Wesener in drei weiteren Auflagen fortführen konnte.

 

Ursula Floßmann hat sich, nachdem etwa Hermann Baltl die neuere Privatrechtsgeschichte aus seiner österreichischen Rechtsgeschichte ausgeschlossen und Werner Ogris sich auf die Veröffentlichung von Skripten und Einzelstudien beschränkt hatte, 1983 für eine eigene österreichische Privatrechtsgeschichte entschieden (XIV, 369 S.). Diesem Unternehmen war ein eindrucksvoller Erfolg beschieden, indem 1992, 1996, 2001, 2005 und 2008 (XXI, 384 S.) weitere Auflagen erscheinen konnten. Dem folgte nach ihrer Emeritierung (2011) 2014 die siebente Auflage.

 

Sie ist nach dem kurzen Vorwort erstmals im Team mit einem Kollegen und einer Schülerin erarbeitet. Dabei betreffen die Aktualisierung vor allem die durch den Gesetzgeber veranlassten Änderungen im geltenden Recht. Neuere Forschungsergebnisse zur Rechtsgeschichte konnten nur in begrenztem Umfang aufgenommen werden, um den Rahmen einer (bereits sehr ausführlichen) Lernunterlage nicht zu überdehnen.

 

Gegliedert ist das durch alle Epochen gehende, instruktive Werk in fünf Teile, von denen die Einleitung die Aufgabe der österreichischen Privatrechtsgeschichte, ihre Dimensionen und unter Rechtsquellen das heimische Partikularrecht, das römische Recht, das kanonische Recht, die Rezeption, den usus modernus pandectarum, die frühneuzeitliche Gesetzgebung, Naturrecht und Naturrechtskodifikationen, Exegetik und Pandektistik des 19. Jahrhunderts sowie die Entwicklung im 20. Jahrhundert zusammenfassend schildert. Es folgen systematisch Personen- und Familienrecht (25ff.), Sachenrecht (155ff.), Schuldrecht (251ff.) und Erbrecht (359ff.). Wer die durch ein Sachverzeichnis von ABGB bis Zwispilde abgerundete Darstellung in sich aufnehmen kann, wird im Bereich des Privatrechts die geschichtlichen Grundlagen des geltenden Rechts so ausführlich kennen, dass er Herkunft, Gegenwart und wohl auch Zukunft bestmöglich versteht, wofür der das frühere Institut für österreichische und deutsche Rechtsgeschichte in Linz in ein Institut für Legal Gender Studies umwandelnden Verfasserin und langjährigen Vorständin wie bisher sehr zu danken ist.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler