Festschrift 150 Jahre Verwaltungsgerichtsbarkeit. Ursprung, Entwicklungslinien und Perspektiven im deutschen und europäischen Kontext, hg. v. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg. Boorberg, Stuttgart 2014. 240 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Staatliche Verwaltung bedeutet Macht einzelner herrschender Menschen über viele Gewaltunterworfene, die zwar mit guten Gründen als sinnvoll ausgegeben und angestrebt wird, die aber Missbrauch und Unrecht nicht ausschließen kann. Sie hat mit der Entwicklung und Durchsetzung des Staates und seines Gewaltmonopols seit dem Spätmittelalter erheblich an Gewicht gewonnen und ist für das Wohl und Wehe des Einzelnen dementsprechend von immer größerer Bedeutung. Zur Sicherung der Rechte des Einzelnen gegenüber dem Staat wurde im 19. Jahrhundert der Ruf nach einer gerichtlichen Kontrolle der Verwaltung laut, auf den hin Großherzog Friedrich von Baden mit Zustimmung seiner getreuen Stände das Gesetz, die Organisation der inneren Verwaltung betreffend vom 5. Oktober 1863 beschloss und verordnete, das am 24. Oktober 1863 in Nummer 44 des großherzoglich badischen Regierungsblatts herausgegeben wurde.
Zur Erinnerung an dieses bedeutende Ereignis fand in Karlsruhe als dem Sitz des 1863 gegründeten badischen Verwaltungsgerichtshofs am 7. Oktober 2013 ein Festakt statt. Die dortigen Grußworte Andreas Voßkuhles, Sabine Leutheusser-Schnarrenbergers, Rainer Stickelbergers und Frank Mentrups sowie der würdigende Festvortrag Guido Wolfs sind mit der vorliegenden Festschrift nach einem Geleitwort Volker Ellenbergers allen Interessierten zugänglich gemacht. Darüber hinaus wird in elf weiteren Beiträgen zur Geschichte und Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit vielfältig Stellung bezogen. Damit kann zwar insgesamt keine Geschichte der Verwaltungsgerichtbarkeit gewonnen werden, doch wird das bisherige Wissen um Einzelaspekte in erfreulicher Weise vermehrt.
Dabei befasst sich Ina Bauer mit der Entstehung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Baden, während Gernot Sydow unitarisierende Tendenzen in der Landesgesetzgebung im neunzehnten Jahrhundert an Hand der parallelen Errichtung unabhängiger Verwaltungsgerichtsbarkeiten aufgreift, Christian Kirchberg und Clauss Meisner den weiteren Verlauf in den beiden Teilen des 20. Jahrhunderts betrachtet. Christian Paur und Michael Hoppe richten ihren Blick auf Österreich und die Schweiz. Werner Heermann geht noch weiter ausgreifend auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit in ausgewählten Ländern Europas und seiner Peripherie ein.
Jean-Marie Woehrling vergleicht die Verwaltungsgerichtsbarkeiten in Deutschland und Frankreich und gelangt auf unterschiedlichen Grundlagen und verschiedenen Entwicklungsgeschichten zu gemeinsamen Zukunftsperspektiven, während Joachim von Bargen aus der Perspektive eines Verwaltungsrichters in Freiburg im Breisgau über zeitgebundene „Leit-Bilder“ berichtet. Wolfgang Ewer fügt die Perspektive der Anwaltschaft hinzu, Manfred Schmidt diejenige des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Am Ende des sehr vielfältigen, interessanten, eines Registers entbehrenden Bandes fragt Friedrich Schoch nach der Zukunft (quo vadis?), wobei er zum Schluss der Erfolgsbilanz den maßgeblichen Repräsentanten die Einsicht und die Kraft wünscht, die fortwährende Schwächung der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu beenden und eine Trendwende einzuleiten.
Innsbruck Gerhard Köbler