Europäische Verfassungen 1789-1990. Textsammlung, hg. und eingeleitet v. Wißmann, Hinnerk. Mohr Siebeck, Tübingen 2015. VIII, 561 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Zumindest sprachlich ist die Verfassung jünger als das Recht und zumindest unter rechtlichen Aspekten ist sie auch nur dessen Teil. Dessenungeachtet lässt sie sich trotz aller Zeitgebundenheit ihrer einzelnen Erscheinungsformen als eine allgemeine Erscheinungsform verstehen, nach der jede Gegebenheit einen allgemeinen Zustand hat. Dementsprechend geht bei Staaten der formellen Verfassungsurkunde grundsätzlich ein älterer materialer, nicht immer leicht greifbarer Zustand der Verfasstheit voraus.
Für die Ausbildung ist eine handliche Sammlung unterschiedlicher formeller Verfassungen, die zudem noch zu einem vorteilhaften Preis zu erwerben ist, stets von Vorteil. Sie bietet der 1971 geborene, in Augsburg 2001 mit einer Dissertation über pädagogische Freiheit als Rechtsbegriff (personales Handeln in der öffentlichen Verwaltung) promovierte und mit einer Schrift über Generalklauseln (Verwaltungsbefugnisse zwischen Gesetzmäßigkeit und offenen Normen) 2006/2007 habilitierte sowie im April 2013 von Bayreuth nach Münster gewechselte Herausgeber. Sein Textband umfasst nach einer sachkundigen Einleitung insgesamt 25 Dokumente.
Sie beginnen mit der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in Frankreich vom 26. August 1789 und führen über die Verfassung Polens (1791), Frankreichs (1791, 1814), die Deutsche Bundesakte, Bayern (1818), die Schlussakte der Wiener Ministerkonferenzen, Belgien, die Schweiz, das gescheiterte Deutsche Reich, Preußen, das Deutsche Reich (1871, 1919), die Völkerbundsatzung, Österreich, die Reichstagsbrandverordnung, das Ermächtigungsgesetz, die Charta der Vereinten Nationen, das Grundgesetz, die Deutsche Demokratische Republik, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft bis zu dem Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland vom 12. September 1990. Der Anhang greift darüberhinaus auch auf die Habeas-Corpus-Akte von 1679, die Bill of Rights vom 23. Oktober 1689 und die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika vom 17. September 1787 zurück und aus. Auch wenn sich Titel und Auswahl mit guten Gründen auch ein wenig anders fassen ließen, wird die Sammlung der angepeilten Leserschaft eine gute Hilfe sein können.
Innsbruck Gerhard Köbler