Erinnerungskulturen post-imperialer Nationen, hg. v. Rothermund, Dietmar. Nomos, Baden-Baden 2015. 306 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Allgemein ist die Kolonie als die Niederlassung von Angehörigen eines Volkes oder Staates in fremder Umgebung bereits dem Altertum ebenso bekannt wie dem Mittelalter. Erst als Folge der technischen Neuerungen am Übergang zur Neuzeit wird daraus aber ein weltweiter, langdauernder, allgemeiner Vorgang, der sich als Kolonialismus kennzeichnen lässt. Ihm wirkt vor allem seit dem 20. Jahrhundert ein ebenso gewichtiger Befreiungskampf entgegen, der bis zur Gegenwart die weltumspannenden Kolonien im Wesentlichen der Geschichte überantwortet hat.

 

Dementsprechend kann der in Kassel 1933 geborene, in Marburg, München und Philadelphia in den Vereinigten Staaten in Geschichte und Philosophie ausgebildete, 1969 mit einer Dissertation über amerikanische Sozialgeschichte promovierte, in Heidelberg 1963 bei Werner Conze mit einer Schrift über die politische Willensbildung in Indien zwischen 1900 und 1960 habilitierte und danach an das Südasieninstitut Heidelbergs berufene Herausgeber in seinem Vorwort die Dekolonisierung nach dem zweiten Weltkrieg als das vielleicht bedeutendste Ereignis des 20. Jahrhunderts bezeichnen. Ihm widmete er 2006 den Routledge Companion to Decolonization, als dessen Folge er in einem ersten Alleingang 2008 in London über The Self-consciousness of Post-Imperial Nations referieren konnte.

 

In weiteren Gesprächen wurde eine internationale Konferenz vorbereitet, die in Heidelberg im Mai 2013 im Internationalen Wissenschaftsforum abgehalten werden konnte. Seine einer Einleitung über Erinnerung und Handlungskompetenz folgenden sieben Beiträge betreffen nach einleuchtender Aussonderung Spaniens und Deutschlands die britische Erinnerung an das Empire, die postkolonialen Migrationen und die Erinnerung an den Kolonialismus in den Niederlanden, das hässliche Angedenken an den belgischen Kolonialismus, die postkoloniale Konfrontation in Frankreich, die Ideologien der Einzigartigkeit des Kolonialreichs in Portugal, den Fall des kleinen verspäteten Reiches Italiens und das postkoloniale Japan in transnationaler Perspektive mit jeweils sehr hilfreichen Kommentaren und einem kurzen Register von Abe bis Zypern. Möge der in diesem Rahmen auch gebotene abschließende Blick von der Galerie dazu beitragen, dass auch die Sicht der Betroffenen noch in einem breiten Rahmen ermittelt und der Öffentlichkeit vorgelegt werden kann.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler