Deppenkemper, Gunter, Negotiorum gestio – Geschäftsführung ohne Auftrag. Zu Entstehung, Kontinuität und Wandel eines gemeineuropäischen Rechtsinstituts, 2 Bände (= Schriften zum internationalen Privatrecht und zur Rechtsvergleichung 36). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014. 1-779, 1-747 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Nach dem kurzen Vorwort des Verfassers bedarf ein rationaler Diskurs über angemessene und gegebenenfalls künftig bessere Regelungen zur lateinisch negotiorum gestio und deutsch Geschäftsführung ohne Auftrag genannten Rechtseinrichtung einer möglichst umfassenden Tatsachengrundlage. Als Beitrag hierfür stellt die vorliegende Arbeit Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung nebeneinander. Damit will sie die „Heutigen“ untereinander und mit den „Alten“ in ein Gespräch bringen.

 

Ob dabei überhaupt auch die Rechtsgeschichte ein Schlüssel zum Verständnis der geltenden Normen sein kann, wird nach den Worten des Verfassers zunehmend bezweifelt. Beantworten lässt sich dies Frage am besten durch problemorientierte Untersuchungen zu konkreten Sachfragen. Dazu bietet sich aus seiner Sicht die Geschäftsführung ohne Auftrag besonders an, die allen kontinentaleuropäischen Kodifikationen als eigenständiges Rechtsinstitut bekannt ist, deren Normen zudem im Wortlaut weitgehend wörtlich den Regeln der in das Corpus iuris civilis eingegangenen Quellen des (klassischen) römischen Rechtes gleichen.

 

Dementsprechend verfolgt das vorliegende eindrucksvolle Werk die negotiorum gestio in ihrem Gang durch die Geschichte. Entstanden ist es als von Christian von Bar betreute, im Frühjahr von dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Osnabrück angenommene Habilitationsschrift des in Osnabrück von Wulf Eckart Voß in die Rechtsgeschichte eingeführten, im Jahre 2004 mit einer umfangreichen Dissertation über die Beweiswürdigung als Mittel prozessualer Wahrheitserkenntnis – eine dogmengeschichtliche Studie zu Freiheit, Grenzen und revisionsgerichtlicher Kontrolle tatrichterlicher Überzeugungsbildung (§ 261 StPO, § 286 ZPO) – promovierten, nach längerer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter zuletzt im Justizdienst des Landes Baden-Württemberg tätigen Verfassers. Gegliedert ist es insgesamt in fünf Teile.

 

Dabei beginnt der Verfasser mit der Verrechtlichung der gesellschaftlich gebotenen Hilfe unter anderem im Rechtsinstitut der negotiorum gestio. Hierfür schildert er nach Nennung des Arbeitsziels und der notwendigen Beschränkungen zunächst als Rahmenbedingungen die gesellschaftliche Bedeutung der Freundschaftshilfe und die ethische Fundierung der Freundschaftspflichten bei Aristoteles und Cicero sowie den Einfluss griechischer Philosophie auf das römische Privatrecht. Auf dieser breiten Grundlage wendet er sich der Entstehung der negotiorum gestio mit dem gestor als Prozessvertreter zu, legt den Wortlaut von Formel und Edikt dar und erörtert das Alter der entsprechenden actiones.

 

Der zweite Teil behandelt den Grundtatbestand der negotiorum gestio. Ausgehend von der Faktizität betrachtet der Verfasser vor allem das fremde Geschäft und den Fremdgeschäftsführungswillen jeweils im römischen Recht und in den Gesetzen und Entwürfen seit dem Allgemeinen Landrecht Preußens von 1794. Vertieft wird dies nach dem Hinweis auf die Subsidiarität und der Abgrenzung vom konsensualen Auftrag im Hinblick auf die so genannte echte, berechtigte negotiorum gestio.

 

Der dritte Teil hat die systematische Stellung der negotiorum gestio zum Gegenstand. Nach der grundsätzlichen Frage nach der Systembildung im römischen Recht geht der Verfasser besonders auf die Institutionen des Gaius ein. Hieran schließt er die Stellung der negotiorum gestio in den Gesetzen bzw. Entwürfen seit dem Allgemeine Landrecht an und verfolgt sie über das Draft Common Frame of Reference bis zum internationalen Privatrecht der Gegenwart.

 

Der vierte Teil legt das Pflichtenprogramm bei der negotiorum gestio dar. Gegliedert wird dabei nach dem privilegierten Aufwendungsersatzanspruch des gestor, den Ansprüchen bei Genehmigung der Geschäftsführung durch den dominus, der Sanktionierung durch die Haftung des gestor sowie der Rechenschaft und dem Bereicherungsausgleich. Einzelne Exkurse vertiefen hierbei besondere Einzelfragen wie etwa das Fortwirken der Versionsklage.

 

Am Ende führt der Verfasser seine Überlegungen in einem fünften Teil zusammen. Dabei legt er die Funktion dar, hebt den Grundtatbestand heraus und geht auf die Erfolgsunabhängigkeit des Ersatzanspruchs, die Wirkung der Genehmigung des Geschäftsherrn, die Haftung des Geschäftsführers und den Bereicherungsausgleich detailliert und entschieden ein. Dadurch entsteht insgesamt ein sehr stimmiges Bild.

 

Im Ergebnis sieht der Verfasser auf seiner geschichtlichen Grundlage seit dem Allgemeinen Landrecht Regelungen entstanden, die ihren Ursprung bei Labeo, Proculus, Celsus, Julian, Pomponius oder Ulpian haben. Ihre Lösungen überzeugen im Wesentlichen noch heute. Dementsprechend hält der Autor schließlich für ein gemeinsames europäisches Privatrecht eine Synthese zwischen Rechtsdogmatik, Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung, wie er ihn in überzeugender Weise „in ersten, groben Strichen für die Grundlinien“ der negotiorum gestio versucht hat, für möglich und wohl auch wünschenswert.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler