Carl Schmitt - Ernst Rudolf Huber. Briefwechsel 1926-1981. Mit ergänzenden Materialien, hg. v. Grothe, Ewald. Berlin: Duncker & Humblot, Berlin 2014. 617 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Carl Schmitt wurde in Plettenberg 1888 als Sohn eines Krankenkassenverwalters, Ernst Rudolf Huber in Idar-Oberstein 1903 als Sohn eines Kaufmanns geboren, so dass sie etwa 30 bzw. 15 Jahre alt waren, als der Kaiser des Deutschen Reiches als Folge der Niederlage in dem von Österreich 1914 gegen Serbien begonnenen ersten Weltkriegs seine Stellung als Oberhaupt des Staates verlor und die Monarchie durch die Republik ersetzt wurde, bzw. rund 45 und 30 Jahre, als 1933 der dem Kaiser folgende Reichspräsident den 1889 in Braunau am Inn geborenen Adolf Hitler als Führer der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei zum Reichskanzler ernannte. Gleichermaßen hatten sie sich mit diesen grundlegenden politischen Veränderungen auseinanderzusetzen. Als Lehrer und Schüler bewegten sich beide grundsätzlich in die gleiche, republikfeindliche nationalsozialistische Richtung und tauschten sich darüber zwischen 1926 und 1981 in fast 220 bisher ungedruckten Briefen und Postkarten aus, die der Herausgeber im vorliegenden Werk der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt.

 

Nach seinem Vorwort begann die Geschichte dieses von der Gerda Henkel Stiftung in Düsseldorf geförderten Buches 1983, als er sich an der Universität Marburg bei seinem Lehrer Hartwig Brandt zu einer Übung mit dem Titel Carl Schmitt anmeldete und trotz des Entfalls der Lehrveranstaltung wegen der geringen Zahl von Interessenten von der vorbereitenden Lektüre so gefesselt wurde, dass ihn Carl Schmitt und auch der mit ihm verbundene Ernst Rudolf Huber nicht mehr losließen und voraussichtlich auch weiter faszinieren werden. Dementsprechend bietet er in seiner als Sehnsucht nach einem Gespräch überschriebenen Einleitung einen vorzüglichen Einblick in das Verhältnis zwischen den beiden führend dem Nationalsozialismus zugewandten Öffentlichrechtlern, die seit dem Ende der dreißiger Jahre zunehmend in Meinungsverschiedenheiten gerieten und letztlich nach dem Ende des zweiten Weltkriegs auch getrennte Wege gingen. Zunächst dominierten Verehrung und Bewunderung Hubers für den in Bonn getroffenen Lehrer, bis vielleicht der zunehmende Antisemitismus Schmitts und Verärgerungen über Absagen zu einer Veränderung führten und nach einer kriegsbedingten Pause der briefliche Austausch sporadisch wurde, als Huber sich mehr und mehr seiner Verantwortung bewusst wurde und Abstand von früheren Überzeugungen nahm, während Schmitt sich als zu Unrecht Ausgestoßener und notgedrungen externer Kritiker des weiteren Geschehens sah.

 

Insgesamt handelt es sich nach den Worten des Herausgebers bei dem vorliegenden Briefwechsel um eine Korrespondenz von hoher Dichte, politischer Brisanz und intellektuellem Anspruch. Kein anderer Briefwechsel Schmitts ermöglicht einen so guten Einblick in das nationalsozialistische Engagement und die spätere Bewertung des eigenen Verhaltens. Aus diesem Grunde lässt sich dem Editor darin folgen, dass er ein zentrales Dokument persönlicher Gedanken zweier der bedeutendsten nationalsozialistischen Rechtswissenschaftler vorgelegt hat.

 

Im Einzelnen umfasst der nicht vollständig erhaltene Briefwechsel noch 219 Stücke, wobei 121 Briefe von (dem weniger sorgfältig aufbewahrenden) Carl Schmitt stammen  und 98 von  Ernst Rudolf Huber und die Verfasser niemals zum vertrauten Du fanden. Geteilt sind die Texte ohne wirkliche inhaltliche Zäsur in drei durch den 30. Januar 1933 und den 8. Mai 1945 getrennte Abschnitte. Inhaltlich wichtigste Themen sind Rechtsphilosophie, Staatsrecht und Verfassungsgeschichte, Politik, Wirklichkeit und Geschichte, neben denen aber auch vielfach Personalfragen angesprochen werden.

 

Eröffnet wird die Ausgabe durch ein Schreiben Hubers vom 5. Mai 1926 an den sehr verehrten Herrn Professor (Schmitt), abgeschlossen durch einen fragmentarischen Entwurf Schmitts an den lieben verehrten Herrn Huber. Abgerundet wird sie durch einen umfangreichen, interessanten Anhang (S. 394ff.) wegen der Veröffentlichung der Dissertation Hubers, Rezensionen Hubers zu Schmitt, Briefen Dritter, Stellungnahmen Hubers, Autobiographischem Hubers, gegenseitigen Widmungen, einem Verzeichnis fehlender Briefe und einer Bibliographie der Veröffentlichungen Hubers seit 1973. Insgesamt ist dem Herausgeber für seine umsichtige Veröffentlichung sehr zu danken, die wohl letztlich besser erkennen lässt, dass und wie es der Beschäftigung mit Recht und Gerechtigkeit nicht gelang, zwei begabte Deutsche des frühen 20. Jahrhunderts vor politischen Fehlentscheidungen zu bewahren, die ihre Lebenswege nachhaltig nachteilig prägten.

 

Innsbruck                                                                              Gerhard Köbler