Buschmann, Arno, Nationalsozialistische Weltanschauung und Gesetzgebung 1933-1945. Band 1 Grundlinien einer Entwicklung. Verlag Österreich, Wien 2015. X, 171 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das Recht wird wohl seit seinen Anfängen von Menschen nach ihren Vorstellungen geschaffen, selbst wenn dem Menschen wie vielen anderen universalen Gegebenheiten Manches wie anscheinend Raum und Zeit kaum veränderlich vorgegeben ist. In diesem Rahmen versuchen naheliegenderweise viele, den Inhalt dieses Regelwerks entsprechend ihren Überlegungen zu gestalten. Dementsprechend kann oder konnte das Recht auch als bloßer ideologischer Überbau der Produktionsverhältnisse erkannt und erklärt werden.
Der am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler des Deutschen Reiches bestellte Adolf Hitler erklärte vom Beginn seines politischen Wirkens an, dass er nationalsozialistische Ziele verwirklichen und bei Gewinn der politischen Macht umsetzen wolle und werde. Dies ist ihm tatsächlich auch mit einschneidenden, ja sogar tödlichen Folgen für viele Mitmenschen auch gelungen. Einen Weg hierzu bot ihm die in allen Staaten der Neuzeit genutzte Gesetzgebung.
Arno Buschmann hat sich für diesen Gegenstand seit vielen Jahren besonders interessiert. Deswegen hat er im Jahre 2000 eine Dokumentation einer Entwicklung im Umfang von LXXI und 799 Seiten als Band 2 eines anfangs auf einen einzigen Band ausgelegten Gesamtwerks veröffentlicht. Aus technischen, aber auch aus verlegerischen Gründen musste er von diesem Vorhaben Abstand nehmen und den Gegenstand auf zwei Bände verteilen.
Dabei konnte die dokumentierte Dokumentation bereits in dem Jahre 2000 erscheinen. Die inhaltliche Darstellung musste allerdings ergänzt und umgearbeitet werden, um als selbständige Veröffentlichung der Allgemeinheit präsentiert werden zu können. Dies bedurfte wegen anderweitiger Beanspruch ziemlich langer Zeit, so dass der erste Band erst 15 Jahre nach dem zweiten Band erscheinen konnte, obwohl beide Bände nach wie vor eine gedankliche Einheit bilden.
Begonnen wird dieser erste Band mit einer Einleitung über die nationalsozialistische Gesetzgebung. Sie gliedert sich in drei Abschnitte. In ihnen beschreibt der Verfasser klar und knapp die nationalsozialistische Gesetzgebungstätigkeit, legt den Stand der Forschung sachkundig dar und erörtert seine Fragestellung, seine Methode und sein Ziel.
Danach untersucht er in elf Kapiteln wichtige Sachgegenstände. Dabei beginnt er mit der Machtergreifung und dem Regierungsprogramm des Nationalsozialismus. Sorgfältig erarbeitet er das Parteiprogramm der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei heraus und ermittelt die Prinzipien der nationalsozialistischen Weltanschauung. Auf dieser Grundlage stellt er die nationalsozialistische Auffassung von Staat und Gesetz dar, die das Gesetz der Ideologie grundsätzlich unterordnet.
In den anschließenden zehn Kapiteln werden die bedeutendsten Rechtsgebiete durchleuchtet. Dies beginnt mit Verfassung und Verwaltung. An sie schließen sich Justizgesetzgebung, Militärgesetzgebung, Arbeits-, Wirtschafts- und Agrargesetzgebung, Sozial- und Wohlfahrtsgesetzgebung, Hochschul-, Schul- und Erziehungsgesetzgebung, Kulturgesetzgebung, Kirchengesetzgebung, Gesetzgebung zum bürgerlichen Recht und Strafgesetzgebung an.
Danach zieht der Verfasser, der im Oktober 2011 bereits einige seiner Überlegungen bei den Babelsberger Gesprächen über Nationalsozialismus und Recht vorgetragen hatte, überzeugend eine erste kursorische Bilanz. Danach war die Einwirkung der Prinzipien der nationalsozialistischen Weltanschauung auf die bestehende Verfassungsordnung und Rechtsordnung sehr unterschiedlich. Während es in manchen Bereichen zu einer vollständigen Umwandlung kam, wurden andere Bereiche nur peripher berührt.
Besonders stark wirkte sich die nationalsozialistische Weltanschauung auf die Verfassungsgesetzgebung aus (Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933). In der Verwaltungsgesetzgebung waren die Gemeindeordnung von 1933 und das Deutsche Beamtengesetz von 1937 besonders bedeutsam. Daneben werden Justizgesetzgebung und Wirtschaftsgesetzgebung sowie Agrargesetzgebung erfasst.
Insgesamt blieb nach der grundlegenden Durchsicht des Verfassers die vorangehende Verfassungs- und Rechtsordnung während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft, abgesehen von der Reichsverfassung, in ihrer Grundstruktur erhalten. Dies gilt vor allem auch für die Kodifikationen des 19. Jahrhunderts. Deswegen konnte hieran nach 1945 für den Wiederaufbau der staatlichen Ordnung in den westlichen Besatzungszonen und in Österreich angeknüpft werden, während in der sowjetischen Besatzungszone und der hierauf aufbauenden Deutschen Demokratischen Republik seit 1945 die marxistisch-leninistische Weltanschauung mit gravierenden Folgen umgesetzt wurde, die erst nach Herstellung der deutschen Einheit im Jahre 1990 in vollem Umfang enthüllt werden konnten.
Innsbruck Gerhard Köbler