Burke, Peter, Die Explosion des Wissens. Von der Encyclopédie bis Wikipedia, aus dem Englischen von Wolf, Matthias unter Mitarbeit von Wohlfeil, Sebastian. Wagenbach, Berlin 2014. 392 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Ähnlich wie das Weltall, so expandiert das Wissen des Menschen während seiner Geschichte weiter und weiter. Dementsprechend verwendet der Verfasser die Figur der Explosion, die auch zur Folge hat, dass der Durchschnittsmensch der Gegenwart vielleicht quantitativ mehr weiß als der durchschnittliche Gelehrte des Mittelalters und des Altertums, mögen auch qualitative Unterschiede durchaus bestehen. Jedenfalls ist die Zunahme des menschlichen Wissens bis zur Gegenwart berauschend und beunruhigend zugleich.
Mit ihr hat sich der in Stanmore in England 1937 als Sohn eines katholischen Iren und einer polnisch-litauischen Jüdin geborene, in einer Londoner Jesuitenschulde und in Oxford ausgebildete, danach an der School of European Studies der Universität Sussex und seit 1978 Kulturgeschichte in Cambridge lehrende Verfasser seit langem beschäftigt. Bereits 1978 legte er eine inzwischen dreimal aufgelegte Untersuchung über Popular Culture in Early Modern, Europe vor. Vielen anderen Werken folgte im Jahre 2000 A social history of knowledge from Gutenberg to Diderot (Papier und Marktgeschrei. Die Geburt der Wissensgesellschaft 2001), dessen zweiten Band das vorliegende, in Cambridge 2012 als A Social History of Knowledge Volume II erschienene, mit einer umfangreichen Bibliographie ausgestattete Werk bildet.
Es beginnt mit dem zweiten Zeitalter der Entdeckungen zwischen 1750 und 1850, in dem zunächst die Natur und danach der Mensch durch Alexander von Humboldt, Linné, Freud und Foucault sowie viele andere untersucht wurden. Danach betrachtet der Verfasser nahezu alle gängigen kulturellen Erscheinungen in beeindruckender Vielfalt, wobei ihn die Suchmaschine Google beswonders beeindruckt. Wie es auf der Grundlage einer Gesellschaft, in der das gesamte Leben von neuen Formen des Wissens mitgeprägt wird, weitergehen wird, kann aber auch ein vorzüglicher Sachkenner der bisherigen Wissensgeschichte noch nicht wissen, so dass er die Fortsetzung der Erörterung der kommenden Generation anheimstellen muss und nur vor der Verdrängung des wenigen Wertvollen durch das im Ergebnis zahllose Unwichtige warnen kann.
Innsbruck Gerhard Köbler