Birn, Marco, Die Anfänge des Frauenstudiums in Deutschland. Das Streben nach Gleichberechtigung von 1869-1918, dargestellt anhand politischer, statistischer und biographischer Zeugnisse (= Heidelberger Schriften zur Universitätsgeschichte Band 3). Winter, Heidelberg 2015. 387, LI S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Dem Menschen ist die Teilung in die beiden Geschlechter der Frauen und Männer aus bisher wohl nicht eindeutig erkanntem Grunde vorgegeben. In der geschichtlichen Entwicklung haben sich lange Zeit anscheinend die Männer als größer, stärker und schneller durchgesetzt und vielleicht schon in den Horden der Anfänge die nach außen gerichteten Aufgaben übernommen. Mit der grundsätzlichen Anerkennung der Gleichberechtigung der Geschlechter durch die Gedanken der französischen Revolution des Jahres 1789 hat sich diese Rollenverteilung allmählich entscheidend gewandelt, zumal die körperliche Kraft in einer Welt der Ideen und Programmen an Gewicht verloren hat.

 

Die sich mit einem Teilbereich dieser Thematik beschäftigende Untersuchung ist die auf der 2012 gedruckten Magisterarbeit des d Verfassers über die Anfänge des Frauenstudiums an der Universität Heidelberg aufbauende, von Thomas Maissen betreute, am 31. Mai 2013 an der philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg angenommene Dissertation des seit 2008 als studentische Hilfskraft am Universitätsarchiv tätige, die Tätigkeit als Archivar suchenden Verfassers. Sie holt den bisher fehlenden deutschlandweiten Vergleich des bisher nicht oder nur unzureichend bearbeiteten Materials nach. Sie gliedert sich dabei in drei Teile über die ersten Hörerinnen an deutschen Universitäten, die ersten immatrikulierten Studentinnen (auf dem Weg von der Ausnahme zur Normalität) und die Lebensverhältnisse und Versorgungslagen zwischen Abgrenzung und Anpassung.

 

Erster individueller Ausgangspunkt ist dabei die in Wittenberg 1733 von der philosophischen Fakultät gewährte besondere Verleihung der Dichterkrone an Christiane Marianne von Ziegeler, erster allgemeinerer Ansatz die Zulassung der Töchter und Ehefrauen der Kollegen durch den Botaniker Alexander Braun in Freiburg im Breisgau im Jahre 1846 als Hörerinnen (Zulassung von Frauen in Heidelberg 1869 im Falle Sofja Kovalevskaja, 1850-1891).. Im Anschluss hieran untersucht der Verfasser umfangreiche Quellenbestände in weiterführender Verbindung der Geschlechter- und Bildungsgeschichte mit alltags- und mentalitätsgeschichtlichen Aspekten, wobei er die „Gradwanderung“ der Studentinnen zwischen dem vermännlichten Blaustrumpf und der hübschen Studentin auf Männerfang einbezieht. Zutreffend weist er am Ende seiner grundlegenden Studie darauf besonders hin, dass ohne aktive staatliche zum Unmut eines großen Teiles der Bevölkerung durchgesetzte Förderung die Erfolgsgeschichte des Frauenstudiums im zweiten deutschen Kaiserreich und eine wichtige Etappe auf dem Wege zur Gleichberechtigung der Frauen im Studium wohl nicht möglich gewesen wäre(n), die in der Gegenwart immerhin dazu geführt haben, dass die Zahl der weiblichen Studierenden der Rechtswissenschaft die Zahl ihrer männlichen Kommilitonen seit einigen Jahren übertrifft.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler