Archavlis, Kyriaki, Die juristische Willenserklärung – eine sprachakttheoretische Analyse (= Grundlagen der Rechtswissenschaft 28). Mohr Siebeck, Tübingen 2015. IX, 188 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Wohl milliardenfach täglich weltweit erfolgt die juristische Willenserklärung als die auf einen rechtlichen Erfolg gerichtete private Äußerung des Willens an die Außenwelt. Vielleicht 1701 wurde sie als Wort dem kurz zuvor geprägten lateinischen Vorbild voluntatis declaratio in der neuhochdeutschen Sprache nachgebildet. Trotz ihrer ungeheueren tatsächlichen Häufigkeit und ihres beachtlichen Alters ist sie monographisch nur wenig behandelt und nicht zweifelsfrei geklärt.

 

Dementsprechende Aufmerksamkeit verdient die von Joachim Rückert betreute, im Sommersemester 2014 con der juristischen Fakultät der Universität Frankfurt am Main angenommene Dissertation der 1982 geborenen, als wissenschaftliche Hilfskraft an ihrer Fakultät tätigen, 2014 mit der zweiten juristischen Staatsprüfung ihre Ausbildung abschließenden Verfasserin, die nach dem kurzen Vorwort von ihrem verehrten Lehrer gelernt hat, dass sich die Bedeutung einer Untersuchung anhand der Richtigkeit ihrer Fragestellungen messen lassen kann. Gegliedert ist die schlanke Studie nach einer Einleitung über die Fragestellung, den methodischen Gang der Argumentation und einige Aspekte der Sprachphilosophie innerhalb der allgemeinen Philosophiegeschichte in drei Sachkapitel. Sie betreffen John Langshaw Austin und die Theorie der Sprechakte, John R. Searles Klassifikation der illokutionären Kräfte von Sprechakten und die Rechtsgeschäftslehre unter Berüclsichtigung der Sprechakttheorien.

 

Im Ergebnis stellt die Verfasserin zusammenfassend fest, dass die vertrauensschutzintegrierende Theorie der Doppelfunktion und die willensorietiernden Theorien ihre Überzeugungskraft auf dem Wege sprachanalytischer Abstraktion methodisch verbessern wollen, aber jeweils an einem undifferenzierten Gebrauch hinsichtlich ihres Analysans als Sprechakt scheitern. Jeder Versuch einer vorjuristischen Ermittlung des Wesens der Willenserklärung kann nach der Verfasserin nur auf eine sprachanalytische Untersuchung hinauslaufen. Die Willenserkärung lasse sich in ihrem sprachlichen Typus von sonstigen Äußerungen von Nicht-Willenserklärungen nur mit Hilfe der illokutionären Sprechaktdimension abgrenzen.

 

Nach der Verfasserin wird die sprachtheoretische Struktur der Willenserklärung instrumentalisiert, um ihr materiell-rechtliche Wertungen einzupflanzen. Wann eine Willenserklärung rechtlich Geltung haben soll, bleibe aber weiter eine Frage juristisch-normativer Gesichtspunkte. Das bedeute nicht, dass der Wert materiell-rechtlich hergeleiteter Inhalte allein deswegen schon in seiner Aussagekraft geschmälert werde, solange nur eine methodische Offenheit über das konkrete Ausmaß ihres normativen Charakters in den Lehren gewahrt werde, so dass es letztlich vor allem darum geht, die unbewusste Mitprägung rechtlicher Lösungen durch ein sprachliches Vorverständnis offenzulegen, wodurch hoffentlich das bestmögliche Verständnis der Willenserklärung allen künftigen Juristen merklich erleichert wird.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler