Zachmann, Urs Matthias, Völkerrechtsdenken und Außenpolitik in Japan, 1919-1960 (= Studien zur Geschichte des Völkerrechts 29). Nomos, Baden-Baden 2013. XIV, 421 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Das Völkerrecht als die Gesamtheit der die Rechte und Pflichten der Staaten und anderen Völkerrechtssubjekte enthaltenden Rechtssätze ist überall dort und dann möglich, wo Völker und Staaten sowie Rechtssätze bestehen. Von daher reichen seine einfachsten Anfänge über Krieg und Frieden, Bündnisse und Gesandte Jahrtausende vor die Zeitwende zurück, werden aber regelmäßig mit dem europäisch-vorderasiatischen Kulturkreis verbunden. Auch seine moderne Gestalt wird mit der Ausbildung des Staates im ausgehenden europäischen Mittelalter in Beziehung gesetzt und auf spanische Spätscholastiker zurückgeführt.

 

Diesen europazentrierten Blickwinkel erweitert die von Klaus Vollmer betreute, im November 2010 von der Fakultät für Kulturwissenschaften der Universität München angenommene Habilitationsschrift des 1971 geborenen, in Hannover und Heidelberg in Rechtswissenschaft, Japanologie und Sinologie ausgebildeten, 2006 in Japanologie in Heidelberg summa cum laude promovierten und nach der Habilitation auf den Handa-Lehrstuhl für japanisch-chinesische Beziehungen der Universität Edinburgh berufenen Verfassers grundsätzlich. Nach einer Einleitung über Krieg und Ordnung im heutigen Völkerrecht, Japans Rolle in der Entwicklung des modernen Völkerrechts, Völkerrecht im Zeichen kulturell-historischer Heterogenität und japanische Völkerrechtsgeschichte als außereuropäische Geistesgeschichte behandelt sie ihren interessanten Gegenstand in fünf Kapiteln. Diese betreffen Außenpolitik und Völkerrecht in Japan zwischen 1603 und 1910, Japan und den Völkerbund, Japan und den Briand-Kellogg-Pakt, den mandschurischen Zwischenfall und Japans Austritt aus dem Völkerbund (1931-1933), Ordnungsdenken und Kriegsrecht während des asiatisch-pazifischen Krieges der Jahre von 1937 bis 1945 und die Zeit zwischen der Niederlage Japans im zweiten Weltkrieg bis zum zweiten amerikanisch-japanischen Sicherheitsbündnis.

 

Im Ergebnis seiner überzeugenden Untersuchung stellt der Verfasser fest, dass Japan bereits vor Ankunft der westlichen Moderne im 19. Jahrhundert Mittelpunkt einer autonomen interstatalen Ordnung war. Während seiner eigentlichen Untersuchungszeit kreiste der sorgfältig behandelte japanische Völkerrechtsdiskurs im Kern um die Frage der Behauptung politischer Autonomie bei gleichzeitiger Integration in eine geschichtlich gewachsene heteronome Ordnung. Im Ergebnis kann nach den Erkenntnissen des Verfassers aber der Eurozentrismus auch aus japanischer Sicht nur überwunden und eine universelle Ordnung nur durch einen rationalen Dialog mit der bestehenden Ordnung und ihren geschichtlichen Voraussetzungen gewonnen werden.

 

Innsbruck                                                                  Gerhard Köbler