Willoweit, Dietmar, Reich und Staat. Eine kleine deutsche Verfassungsgeschichte (= Beck’sche Reihe 2776). Beck, München 2013. 128 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Verfassung ist der allgemeine Zustand (oder die Verfasstheit) einer Gegebenheit. Ein Zustand hat in Bezug auf die Dimension Zeit grundsätzlich eine Geschichte. Sie kann man jeweils in den wichtigsten Grundzügen oder in möglichst vielen Einzelheiten erkunden und darstellen.

 

Dietmar Willoweit (*Klaipeda/Memel/Litauen 1936) hat sich mit der deutschen Verfassungsgeschichte als der Geschichte der das deutsche Gemeinwesen und damit die deutsche politische Ordnung prägenden rechtlichen Regeln und Strukturen in wichtigen Einzelfragen bereits in seiner von Siegfried Reicke betreuten Heidelberger Dissertation über die Entstehung exemter Bistümer im deutschen Reichsverband (1966) und in seiner Habilitationsschrift über die Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt (1970) befasst. Auf diesen detailliert ermittelten Grundlagen hat er nach seinem Wechsel nach Berlin, Tübingen und Würzburg 1990 eine umfassende deutsche Verfassungsgeschichte vom Frankenreich bis zur Teilung Deutschlands als Studienbuch bzw. Kurzlehrbuch  im Umfang von XXIX und 369 Seiten vorgelegt, die bereits kurz nach der Herstellung deutscher Einheit eine zweite Auflage erfuhr. Sie konnte, erweitert bis zur Wiedervereinigung Deutschlands, 1997 in dritter, 2001 in vierter, 2005 in fünfter, 2009 mit einer Zeittafel und einem Kartenanhang in sechster Auflage und zuletzt 2013 in siebenter, auf XXXIV und 511 Seiten erweiterter Auflage veröffentlicht werden, so dass der Verfasser ohne jeden Zweifel zu den führenden deutschen Verfassungshistorikern zählt.

 

Es zeichnet den Meister jeweils aus, dass er nicht nur die Einzelheiten kennt, sondern aus ihnen auch die wichtigsten Grundzüge ermitteln kann. Deswegen ist es sehr zu begrüßen, dass Dietmar Willoweit auf der Grundlage seiner erfolgreichen großen Verfassungsgeschichte eine kleine Verfassungsgeschichte geschaffen hat, die sich nach einer Einführung in insgesamt 5 Abschnitte über die innergesellschaftlichen Anfänge in Recht und Gerichten, über frühe Formen politischer Organisation im Mittelalter (Königtum, Kirche, Kaisertum, Scheidung weltlicher und geistlicher Herrschaft, Verwandlung des Denkens durch Jurisprudenz seit dem 12. Jahrhundert, Entstehung deutscher Staatlichkeit aus dem Reichsfürstentum, Stadtverfassung, Staatslehre), deutsche Staatlichkeit im Alten Reich der Neuzeit, den monarchischen Verfassungsstaat des „langen“ 19. Jahrhunderts und das 20. Jahrhundert mit den Irrwegen und Wegen zwischen Demokratie und Diktatur gliedert. Eine von 498 bis 1992 reichende, die Montanunion aussparende Zeittafel, ein Personen- und Ortsregister von Aachen bis Würzburg und konzentrierte Hinweise auf weiterführende Literatur runden diese vielleicht im besonderen  Interesse des durchschnittlichen Studierenden liegende, am Ende auf fast 2000 Jahre zurückblickende Alternative zum großen Studienbuch benutzerfreundlich ab.

 

Innsbruck                                                                  Gerhard Köbler