Welan, Manfried, Österreich auf dem Weg zur Demokratie? Aufmerksame Beobachtungen aus einem halben Jahrhundert, zum 75. Geburtstag hg. und mit einem Nachwort versehen v. Noll, Alfred J. Böhlau, Wien 2012. 354 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Demokratie ist die in Athen erstmals unter Kleisthenes (508 v. Chr.) in gewisser Weise verwirklichte Herrschaft des Volkes in einem Gemeinwesen, die von Aristoteles als eine Entartung der Herrschaftsform Politie einstufte. Demgegenüber wurde Österreich auf seinem Weg durch die Zeit vermutlich am nachhaltigsten durch Maria Theresia geprägt, die das Erzherzogtum Österreich innerhalb des Heiligen römischen Reiches von ihrem Erbantritt im Jahre 1740 bis zu ihrem Todes am 29. November 1780 gegen ständischen Widerstand absolutistisch mit landesfürstlicher Bürokratie und Zentralverwaltung beherrschte. Wie weit das Land seit der Abschaffung der Monarchie am Ende des ersten Weltkriegs auf dem Wege zu der danach eingeführten Demokratie vorangekommen ist, wirft der vorliegende Sammelband als offene Frage auf.

 

Unter ihr hat der Herausgeber insgesamt 30 Studien Manfried Welans versammelt, die in chronologischer Reihenfolge 1964 mit der großen Illusion einsetzen und 2009 mit Entwicklungsmöglichkeiten des Regierungssystems enden. Der in Wien 1937 geborene, nach dem dortigen Studium der Rechtswissenschaft 1961 promovierte, nach verschiedenen Tätigkeiten 1969 zum außerordentlichen Professor und 1973 zum ordentlichen Universitätsprofessor an der Universität für Bodenkultur in Wien ernannte, 2006 emeritierte Verfasser hat sie im Rahmen seiner vielfältigen Interessen und Erfahrungen im Interesse des Allgemeinwohls formuliert. Im Mittelpunkt stand dabei die Überlegung, dass die Demokratie als Menschenrechtsstaat zur Erhaltung und Förderung der Würde des Menschen nie ganz gegeben, aber  immer ganz aufgegeben ist.

 

In diesem Rahmen sprechen die einzelnen Beiträge zahlreiche Bereiche und Probleme an, in denen etwa Freiheit in Österreich als Collage betrachtet wird oder die Legitimationsprinzipien der österreichischen Bundesregierung ermittelt werden. Zwischen der Erinnerung an die vergessene Revolution des Jahres 1848 und dem Janusgesicht der westlichen Demokratie insgesamt werden beispielsweise die Mobilisierung der Christen, die Lehre von der Gewaltentrennung, Pluralismus und Föderalismus, die Lage des Parlaments, die Kanzlerdemokratie, die Zukunft der politischen Bildung, die Macht des Wortes oder die Globalisierung im Verhältnis zu den Menschenrechten untersucht. Im Kern geht es stets darum, dass nicht das Volk ein Organ des Staates, sondern der Staat ein Organ des Volkes sein soll, so dass Österreich auf dem Weg zur Demokratie noch manche Aufgabe vor sich hat, zu deren Bewältigung die reichen, erfreulicherweise nun an einem leicht greifbaren Ort versammelten und durch ein Personenregister von Herbert Achternbusch bis Stefan Zweig aufgeschlossenen Gedanken des Verfassers von besonderem Nutzen sein können.

 

Innsbruck                               Gerhard Köbler