Weferling, Sandra, Spätmittelalterliche Vorstellungen vom Wandel politischer Ordnung. Französische Ständeversammlungen in der Geschichtsschreibung des 14. und 15. Jahrhunderts (= Heidelberger Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte 20). Winter, Heidelberg 2014. 361 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Ständeversammlungen in Frankreich sind schon deswegen von besonderem Interesse, weil die Generalstände zwischen1614 und 1788 nicht mehr einberufen werden und dies sowohl als Kennzeichen des Absolutismus wie auch als ein wichtiger Grund der Revolution von 1789 gilt. Von daher verdient die von Jürgen Miethke angeregte und betreute, von der philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg im Wintersemester 2008/2009 angenommene Dissertation der Verfasserin ungeteilte Aufmerksamkeit. Gegliedert ist sie außer in Einleitung über Gegenstand, Forschungsstand, methodische Einordnung sowie Quellen und Schlussbetrachtung in fünf Sachkapitel.

 

Zunächst bietet die Verfasserin einen Überblick über theoretische Grundlagen und praktische Durchführung der Ständeversammlungen unter Betrachtung sowohl der Einberufung wie auch der Durchführung. Danach stellt sie die untersuchten Versammlungen von (den Versammlungen der letzten Kapetinger und) der Versammlung von 1302 bis zu den Generalständen von 1413 mit einem Ausblick auf Karl VII. dar, an welche sie eine Beurteilung unter besonderer Berücksichtigung der Art der Versammlungen (zu Rat und Hilfe, zur Erlangen einer finanziellen Beihilfe, zur Stärkung der Position des Königs, zur Regelung der Thronfolge, zur Vorlegung von Reformen) anfügt. In Kapitel fünf untersucht sie die Vorstellungen einer guten Ordnung, in Kapitel sechs betrachtet sie die Stellung der einzelnen Chronisten.

 

Dabei kann sie etwa zeigen, dass die Zusammenkunft des Jahres 1302, obwohl sich hier zum ersten Mal überhaupt reichsweit die Gesandten aller drei Stände versammelt hatten, von den Zeitgenossen nicht in ihrer Art als außergewöhnlich angesehen wurde, wie überhaupt die Versammlungen in den Darstellungen als selbverständlich eingestuft werden. Auf Grund stark voneinander abweichender Berichte kann sie darauf hinweisen, dass die Darstellung der Ereignisse deutlich von der Einstellung der Verfasser geprägt sein konnte, wobei höchst wahrscheinlich sogar absichtlich historisch Falsches berichtet werden konnte, um einen bestimmten Eindruck zu erzielen. Insgesamt lässt die klare Mehrheit der insgesamt 75 Berichte die behandelten 13 Zusammenkünfte als positiv (wichtig, sinnvoll, erfolgreich) erscheinen, während nur drei Berichte, von denen zwei als der Krone nächststehend angesehen werden können, eine negative Bewertung erkennen lassen, so dass sich nach der ansprechenden Ansicht der Verfasserin nicht nachweisen lässt, dass eine allgemeine Ablehnung der Ständeversammlungen im 14. und 15. Jahrhundert einen wesentlichen Grund für die spätere Nichteinberufung und den Absolutismus gebildet haben dürfte.

 

Innsbruck                                                                  Gerhard Köbler