Übler, Rebekka, Die Schutzwürdigkeit von Erfindungen. Fortschritt und Erfindungshöhe in der Geschichte des Patent- und Gebrauchsmusterrechts (= Geistiges Eigentum und Wettbewerbsrecht 90). Mohr (Siebeck), Tübingen 2014. XVI, 394 S., Abstract. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Erfindung als die erste oder neue Lösung einer Aufgabe ist im Immaterialgüterrecht die neue, anwendbare, niederlegungsfähige und ausführbare Lösung eines technischen Problems durch einen Menschen, die besonderen rechtlichen Schutz als Patent oder Gebrauchsmuster erlangen kann. Damit nicht für jede technische Neuerung ein den Wettbewerb behinderndes besonderes Schutzrecht gewonnen werden kann, verlangt das Patentgesetz Deutschlands für Patente eine in § 4 S. 1 PatG näher bestimmte erfinderische Tätigkeit, während das Gebrauchsmustergesetz auf eine Konkretisierung des in § 1 I GebrMG genannten erfinderischen Schritts verzichtet. Die vorliegende Untersuchung der 1984 geborenen, in Bayreuth ausgebildeten Verfasserin will die sorgfältig dargestellte Forschungslücke der rechtsgeschichtlichen Entwicklung der Schutzwürdigkeit von Erfindungen im Patentrecht und im Gebrauchsmusterrecht von der Zeit des Deutschen Bundes bis zum Jahr 2013 schließen.

 

Das zu diesem Zweck geschaffene Werk ist die von Diethelm Klippel begleitete und geförderte, im Graduiertenkolleg geistiges Eigentum und Gemeinfreiheit entstandene und im Sommersemester 2013 von der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth angenommene Dissertation der zeitweise als wissenschaftliche Mitarbeiterin ihres Betreuers tätigen Autorin. Sie gliedert sich nach einer Einleitung über Fragestellung, Methode, (veröffentlichte) Quellen und Forschungsstand in fünf überwiegend chronologisch geordnete Kapitel. Sie betreffen die Schutzwürdigkeit von Erfindungen vom Deutschen Bund über das Reichspatentgesetz von 1877 bis zum Gebrauchsmustergesetz von 1891, die Schutzwürdigkeit von Patenten und Gebrauchsmustern bis 1945 einschließlich der nicht wesentlich eingreifenden Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft, die Patentwürdigkeit und Gebrauchsmusterwürdigkeit von 1945 bis 1976/1986, die Schutzwürdigkeit im geltenden Recht sowie schließlich die Gleichstellung der Erfindungshöhe im Patentrecht und Gebrauchsmusterrecht durch Bundespatentgericht und Bundesgerichtshof (Demonstrationsschrankbeschluss vom 20. Juni 2006).

 

Insgesamt kann die Verfasserin eindrucksvoll zeigen, dass schon bald nach Erlass der Gesetze von 1877 bzw. 1891 Teile der Rechtsprechung und Rechtswissenschaft Fortschritt und Erfindungshöhe zunächst für Patente und dann auch für Geschmacksmuster einforderten. Diesem Verlangen kam der Gesetzgeber aber erst durch Gesetzesänderungen vom 21. Juni 1976 bzw. 15. August 1986 nach, wobei die zusätzlich geforderte Schutzwürdigkeitsvoraussetzung Fortschritt aufgegeben wurde. Nach der Gleichstellung der zunächst unterschiedlichen Anforderungen durch den Bundesgerichtshof hält die Verfasserin ansprechend das Nebeneinander zweier Schutzinstrumente für technischer Neuerungen für nicht notwendig und schlägt zwecks Bereinigung zwei Lösungswege (Integration des Gebrauchsmusters in das Patentrecht, Rückführung des Gebrauchsmusterrechts auf seinen ursprünglichen musterrechtlichen Ansatz) vor.

 

Innsbruck                                                                  Gerhard Köbler