Tomasello, Michael, Eine Naturgeschichte des
menschlichen Denkens, aus dem Amerikanischen von Schröder, Jürgen. Suhrkamp,
Berlin 2014. 256 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Dem Menschen werden im Gegensatz zu
den Tieren vor allem Sprache und Verstand zugeschrieben, doch zeigen auch Tiere
vielfach beeindruckende Leistungen. Ihre Beobachtung deutet darauf hin, dass
sie auch zu Überlegungen und Planungen in der Lage sind. Deswegen stellt sich
ohne Weiteres die Frage der Gleichheit mit dem Menschen bzw. der
Unterschiedlichkeit von ihm.
Mit diesen Überlegungen befasst sich
das vorliegende Werk des in Bartow in Florida in den Vereinigten Staaten von
Amerika geborenen, nach dem Studium der Psychologie an der Duke University und
der Promotion in Experimentalpsychologie an der University of Georgia an der
Emory University seit 1980 Psychologie lehrenden Verfassers. 1988 wechselte er
an das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, wo er das
Primatenforschungszentrum leitet. Nicht zuletzt auf Grund der dortigen
Beobachtungen versucht er eine objektive Erfassung der Entwicklung des menschlichen
Denkens.
Ausgangspunkt ist danach, dass die
menschlichen Vorfahren es lernten, von der individuellen Intentionalität, mit
der Tiere auf Gegebenheiten ihrer Umgebung reagieren, zu einer gemeinsamen
Intentionalität überzugehen, in der durch Zusammenwirken mit einem Artgenossen gemeinsame
Handlungsziele gebildet werden. In einem weiteren Schritt vollzog sich danach
die Gewinnung einer kollektiven Intentionalität einer Gruppe, aus der
Verhaltensnormen geschaffen werden. Damit ist eine ansprechende Theorie über
die Entwicklung des menschlichen Denkens vorgestellt, die aber ihre
Tragfähigkeit erst noch in weiteren Forschungen unter Beweis stellen muss, da
anscheinend auch Tiere als Gruppe handeln können und die Bedeutung der Sprache
für das Denken noch nicht sicher bestimmt ist.
Innsbruck Gerhard Köbler