Strasser-Gackenheimer, Christian, Die staatsrechtliche Kontinuität des Deutschen Reichs von der ,Machtergreifung’ bis zum Tod Hitlers - zugleich eine Analyse des Niedergangs der Weimarer Demokratie (= Nomos Universitätsschriften Recht Band 825). Nomos, Baden-Baden 2013. 293 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Es gehört zu den auffälligen, wenn auch angesichts der Beharrlichkeit des Menschen nicht völlig überraschenden Befunden der deutschen Geschichte, dass Adolf Hitler zwar mit dem Versprechen grundlegender Veränderungen im totalen Staat an die Macht gelangt ist, diese aber in der kurzen ihm auf Grund eigener Entscheidungen verbleibenden Zeit jedoch nur teilweise verwirklichen wollte und konnte. Insbesondere hat er zwar die geltende Verfassung durch erheblich eingreifende Gesetze bedeutsam bis grundlegend verändert. Er hat sie aber nicht durch eine eigene neue Verfassung insgesamt formal ersetzt.
In der vorliegenden, von Heinrich Wilms weitgehend betreuten, aber leider nicht mehr begutachtbaren, im September 2012 am Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Konstanz eingereichten Dissertation wird dieser Themenbereich aus dem besonderen Blickwinkel der staatsrechtlichen Kontinuität des mindestens von 1871 bis 1945 so bezeichneten Deutschen Reiches behandelt. Gegliedert ist die Arbeit in sechs Abschnitte. Sie betreffen Einleitung und Grundlagen, die „Machtergreifung“ und Art. 76 WRV, das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich vom 24. März 1933, die Festigung der Macht und die Zeit bis zu Hitlers Tod am 30. April 1945, die Bewertung der Kontinuitätsfrage und praktische Auswirkungen auf das Grundgesetz und die Bundesrepublik Deutschland.
Ziel der eigenständigen, interessanten Untersuchung des Verfassers ist es, erstmals einen explizit juristischen Gesamtüberblick über sein Thema bis zur bedingungslosen Kapitulation des so genannten „tausendjährigen Reiches“ zu geben, wobei nach seiner Ansicht das Deutsche Reich von 1867/1871 (!) als Ausgangspunkt zu verwenden ist. Während die pragmatische Herangehensweise des Völkerrechts (Drei-Elementen-Lehre!) zur Feststellung der Kontinuität führt, begründet das Fehlen der Beharrung im Wandel und dem Fortbestand sachlicher Strukturen im Bereich der Normsetzung letztlich Diskontinuität (in den Jahren 1940-1944). Gleichwohl ergibt sich aus dieser angenommenen staatsrechtlichen Diskontinuität des Reiches von 1867/1871 für den Verfasser kein rechtliches Vakuum. weil die Bundesrepublik Deutschland bereits mit der Verkündung des Grundgesetzes als eigener konstitutiver Entscheidung (mit dem konstitutiven Akt des Art. 123 GG) im Jahre 1949 eine völlig eigenständige, vom Reiche unabhängige Bedeutung erlangt.
Innsbruck Gerhard Köbler