Stolleis, Michael, History of Social Law in Germany. Springer, 2014. VIII, 258 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Geschichte der Menschheit ist auch eine Geschichte der wirtschaftlichen Differenzierung. Während anfangs die wirtschaftlichen Verhältnisse in erster Linie durch die natürliche Umgebung bestimmt worden sein dürften, ist es dem Menschen im Laufe der Zeit mit Hilfe seines Verstands gelungen, die natürliche Umgebung zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Dies hat unter Anderem zur Arbeitsdifferenzierung und der damit verbundenen unterschiedlichen Vermögensstruktur geführt.
Die daraus entstehenden sozialen Spannungen ließen den Gedanken reifen, zur Sicherung der gewonnenen politischen Macht Vermögen zur wirtschaftlichen Sicherung möglicher Wähler einzusetzen. Im späten 19. Jahrhundert entstand in diesem Zusammenhang auf der Grundlage des Christentums die Idee der Milderung wirtschaftlicher Probleme durch soziale Sicherung der arbeitenden Bevölkerung. Mit diesen Fragen hat sich Michael Stolleis spätestens seit seiner Edition von Quellen zur Geschichte des Sozialrechts im Jahre 1976 befasst. Im Jahre 2003 hat er ungeachtet seiner umfassenden Belastung durch die Erarbeitung einer Gesamtgeschichte des öffentlichen Rechts von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart eine eigene Geschichte des Sozialrechts in Deutschland geschrieben.
Sie ist auf ein weit über Deutschland hinausreichendes allgemeineres Interesse gestoßen. Deswegen ist sie von Thomas Dunlap aus dem Deutschen in das Englische übersetzt worden, wobei die ersten sechs Kapitel (Introduction, Social Protection in the Middle Ages and in the Early Modern State, Social Policy in the Empire, The First World War, The Weimar Republic, The Nazi State) bereits 2013 in Origins of the German Welfare State veröffentlicht werden konnten. Das vorliegende Gesamtwerk ist um vier Kapitel über die Nachkriegszeit, die Wissenschaftsdisziplin Sozialrecht, die Europäisierung des Sozialrechts und Langzeitperspektiven für soziale Sicherung sowie einen Index von Abolition of serfdom bis Zollverein erweitert und eröffnet über den deutschen Sprachraum hinaus der anglophonen Welt einen einfachen Zugang zu einem modernen gesellschaftlichen Problembereich und seine bewusste Steuerung durch deutsche Politik unter Otto von Bismarck mit allen damit verbundenen Vorteilen der Vergangenheit und allen damit aber auch verknüpften Fragen der Zukunft.
Innsbruck Gerhard Köbler