Staatlichkeit in Rom?. Diskurse und Praxis (in) der römischen Republik, hg. v. Lundgreen, Christoph (= Staatsdiskurse 28). Steiner, Stuttgart 2014. 276 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Bezeichnung Staat (, die in der Gegenwart für die auf Dauer berechnete Zusammenfassung einer Anzahl von Menschen auf einem bestimmten Teil der Erdoberfläche unter Regelung aller für deren gemeinschaftliches Leben notwendigen Belange durch einen innerhalb der Gemeinschaft obersten Willensträger, falls sich die von diesem Willensträger aufgestellte Ordnung tatsächlich durchgesetzt hat, verwendet wird,) erscheint nach einem mittelniederdeutschen Wort des 14. Jahrhunderts für Lage, Stand, Stellung im 15. Jahrhundert als Lehnwort zu lateinisch status, Stand. Das letztlich von dem lateinischen Verb stare, stehen, abgeleitete Wort übernimmt eine Bedeutung Staat aus französisch état, wobei Staat für  lat. res publica nicht vor der Mitte des 17. Jahrhunderts steht und der moderne Staatsbegriff erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts gebildet wird. Von daher lässt sich die in den Titel aufgenommene Frage bestens verstehen.

 

Der 1980 geborene Herausgeber des damit befassten Sammelbands wurde nach dem Studium der Rechtswissenschaft, Literaturwissenschaft und Geschichtswissenschaft in Berlin und London 2009 in Dresden und Paris mit einer Dissertation über Regelkonflikte in der römischen Republik promoviert, in der er für Konfliktfälle bei Wahlen, Vergabe von Provinzen oder Bewilligung von Triumphzügen von einem Zusammenwirken von festen Regeln und weichen Grundsätzen ausgeht. Dem folgte ein von ihm als wissenschaftlichem Assistenten am Lehrstzhl für alte Geschichte der Technischen Universität Dresden mitbetreuter Sammelband über Gemeinsinn und Gemeinwohl in der römischen Antike. Das vorliegende Werk umfasst nach einer kurzen Einleitung und einer Einführung in die Thematik insgesamt neun Beiträge, die in drei Abteilungen gegliedert sind.

 

Als Träger von Staatlichkeit werden dabei die Väter und Bürger, die Aristokratie und das Volk angesprochen, unter Kommunikationsstrukturen das Verhältnis von erobernder Expansion und diskutierender Debatte sowie zwischen Rom bzw. Römern und den Städten des Ostens. Unter Aufgaben des Staates untersuchen Claudia Tiersch die Getreideversorgung, Helmuth Schneider die Infrastruktur und Detlef Liebs das Rechtswesen, während abschließend Aloys Winterling grundsätzlich kritisch nach „Staat“ in der griechisch-römischen Antike fragt. Als Ziel der Beiträge sieht der Herausgeber bereits in seiner Einleitung nicht eine (einzige) Antwort auf die Staatsfrage für die römische Republik, sondern die Auslösung einer Debatte über den Forschungsstand durch Herausforderung von Widersprüchen, wie sie als Folge des Bandes voraussichtlich weitergehen wird.

 

Innsbruck                                                                  Gerhard Köbler