Schmoeckel, Mathias, Das Recht der Reformation. Die epistemologische Revolution der Wissenschaft und die Spaltung der Rechtsordnung in der Frühen Neuzeit. Mohr (Siebeck), Tübingen 2014. XVIII, 311 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der 1963 geborene und nach seiner Münchener Habilitation 1999 nach Bonn berufene Verfasser bemerkte während der Arbeit an seiner Habilitationsschrift über Humanität und Staatsraison, „dass sich unter denen, die die Abschaffung der Folter verlangten, überdurchschnittliche viele Calvinisten befanden. Unfähig, dies als Zufall abzuschreiben“, konnte er diesen Befund zunächst nur beschreiben und erste Mutmaßungen anstellen. Zu Nachforschungen ermutigt, fragte er sich, ob es nicht nur calvinistische Juristen, sondern auch eine eigenständige calvinistische Anschauung des Rechtes gäbe, und fasste sein Ergebnis als epistemologische oder erkenntnistheoretische Revolution auf.

 

Seine hieraus erwachsene Darstellung gliedert sich nach einem kurzen Vorwort in insgesamt fünf Abschnitte, die zunächst die Fragestellung betreffen. Hier geht der Verfasser von der vorreformatorischen Autorität des Papstes aus und erkennt, dass sich aus dem päpstlichen Bann für Martin Luther die Notwendigkeit der reagierenden Reformation des Rechtes ergab. Hieraus folgte die epistemologische Revolution, die aber wegen ihres Umfangs thematisch begrenzt werden musste.

 

Unter den epistemologischen Neuerungen beginnt der Verfasser mit der alten Lehre des rechten Glaubens als Grundlage des Richtens und stellt ihr die Erkenntnis durch ratio und conscientia bei Luther und Melanchthon gegenüber. Danach verfolgt er detailliert die wissenschaftliche Erkenntnis bei Melanchthon unter besonderer Berücksichtigung der Methode. Im Anschluss hieran erörtert er die Entwicklung protestantischer Naturrechtslehren von Melanchthon über Calvin, Arminius, Gutke und Calov bis zu Pufendorf mit den Auswirkungen auf  eine protestantische Rechtsquellenlehre und eine protestantische Gesetzgebungslehre.

 

Im dritten Teil  widmet er sich der Entsakralisierung der Herrschaftsrechte. Ausgehend von der Frage nach dem Papst als Herren der Welt behandelt er die Haltung Luthers zur Souveränität der Fürsten mit Ausstrahlungen bis zu Bodin, die Kirche im weltlichen Regiment, die Bindung der Herrschenden an das Gesetz zwischen der Freiheit eines Christenmenschen und Calvin, die Ansätze einer frühen Gewaltenteilung bei Calvin und Althusius bis zu den Machtsprüchen in Preußen sowie die lutherischen und calvinistischen Staatsvorstellungen im Vergleich. Das führt ihn am Ende zu der Frage, ob das öffentliche Recht insgesamt eine protestantische Erfindung ist.

 

Der vierte Teil untersucht die Disziplinierung des Lebens. Ausgehend vom Zorn Gottes ermittelt er dabei vielfältige Neuerungen im Strafrechtund forscht nach Änderungen im Privatrecht und Wirtschaftsrecht. Eher kurz streift er auch Änderungen im Prozessrecht.

 

Im Ergebnis gelangt er zu einer konfessionellen Spaltung mit einer besonderen katholischen Wissenschaft, die erst seit dem 18. Jahrhundert über Pufendorf überwunden wird. Die dabei erkennbare Reformation des Rechtes hat auch rechtsgeschichtliche  und theologische Folgen. Insbesondere gelingt schließlich eine Befreiung von der kirchlichen Autorität.

 

Insgesamt führt der Verfasser eine wichtige Einsicht erfolgreich umfassenden Ergebnissen zu. Deswegen lässt seine Untersuchung eine baldige Neuauflage erwarten. Dabei könnten möglicherweise primorum principorum, veil etiam sowie verschiedene andere Kleinigkeiten, die dem Werk aber nicht grundsätzlich schaden können, nochmals überprüft werden.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler