Schmidt-Gabain, Florian, Die Seelen der Gesetze. Eine Untersuchung über Zweckbestimmungen in den Gesetzen der Schweiz, Deutschlands und Frankreichs vom 18. Jahrhundert bis heute (= Grundlegendes Recht 21). Helbing Lichtenhahn/Nomos, Basel/Baden-Baden 2013. XL, 227 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der Mensch ist ein mehr oder weniger rationales Wesen, das neben anderen Trieben auch von der Vernunft bestimmt sein kann. Dies hat ihn nicht nur dazu geführt, sein Leben auf der Suche nach günstigeren Verhältnissen vom Verstand leiten zu lassen, sondern auch Mitmenschen je nach den jeweiligen Gegebenheiten an seinen Einsichten Teil haben zu lassen. Dementsprechend hat er rechtliche Entscheidung vielfach mit rationalen Überlegungen verknüpft.

 

Mit einem hierzu gehörigen Ausschnitt aus der bisherigen Entwicklung befasst sich die vorliegende, vom Verfasser thematisch ausgesuchte und von Marie Theres Fögen kongenial während einer Studie über das Lied des Gesetzes betreute Dissertation des Verfassers, die am 25. Mai 2011 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich als Dissertation angenommen wurde. Sie gliedert sich außer in eine Einleitung über Seelen der Gesetze, materielle und formelle Aspekte einer Zielbestimmung oder Zweckbestimmung und den Gang der Untersuchung in zwei Teile, deren Erkenntnisse am Ende zusammengeführt werden. Während die chronologische Betrachtung über Frankreich, Deutschland, die Schweiz und die Europäische Union auf ein Gesamtbild der Entwicklung ausgerichtet ist, versucht die anschließende Interpretation von der französischen Revolution bis zu den Zweckartikeln der Zeitgeschichte eine überzeugende Erklärung.

 

Im Ergebnis sieht der Verfasser die vorrevolutionären Präambeln als Versuch der Erzíehung der Untertanten zur Gesetzestreue, die nach Aufkommen des befehlenden Gesetzes nachrevolutionär entbehrlich war. Gegenüber dieser politischen Einsicht musste der Verfasser bei einer rechtlichen Analyse allerdings vor allem deren Unergiebigkeit feststellen. Daraus gewinnt er am Ende das rechtstheoretische Kleinod, dass Politik und Recht zwei unterschiedliche Systeme sind und dass, wenn also die Gesetze tatsächlich eine Seele haben sollten, „sie doch nie wissen“ werden, wie es in ihr aussieht, was im Anhang durch einen Abdruck der verwerteten Zielbestimmungen nachvollziehbar dokumentiert wird.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler