Roos, Daniel, Julius Streicher und „Der Stürmer“. Schöningh, Paderborn 2014. 535 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Julius Streicher wurde am 12. Februar 1885 als neuntes und letztes Kind des Volksschullehrers Friedrich Streicher und seiner Frau Anna in Fleinhausen westlich Augsburgs geboren, ohne dass er zunächst ein Lebenszeichen von sich gab, so dass rechts und links zwei Kerzen angezündet wurden und die Mutter und die Hebamme zusammen beteten, der liebe Gott möge ihn wieder zu sich nehmen. Als Julius Streicher im Nürnberger Gefängnis am frühen Morgen des 16. Oktobers 1946 mit 61 Jahren  als Kriegsverbrecher zum Galgen geführt wurde, äußerte er mit verständlichen Pausen nacheinander die Sätze Heil Hitler, Jetzt geht es zu Gott, Purimfest 1946, die Bolschewisten werden euch einmal hängen, ich bin bei Gott, Herr Pater und Adele – meine liebe Frau. In der Zwischenzeit wurde aus dem kleinen, erst während der Nottaufe zu atmen beginnenden Buben und späteren Volksschullehrer einer der „schillerndsten und abstoßendsten Nationalsozialisten“.

 

Mit ihm befasst sich die von Wolfgang Altgeld betreute, über mehrere Jahre neben einer beruflichen Vollzeittätigkeit entstandene, im Wintersemester 2013/2014 an der Universität Würzburg angenommene Dissertation des Verfassers. Sie erweckte bereits bei der Ankündigung das Interesse eines sachkundigen Rezensenten. Da der Verlag aber kein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellen konnte, muss der Herausgeber mit wenigen Worten auf das mit der Abbildung des Leichnams Streichers am Henkersstrick endende Werk hinweisen.

 

Gegliedert ist das als Doppelbiographie von Schöpfer und Werk angelegte Buch in sieben Kapitel über das Erscheinen des Stürmers im Jahre 1923, Lebenslinien zwischen 1885 und 1923 mit früher politischer Agitation ab 1918, die Kampfzeit bis 1932, den Stürmer zwischen 1933 und 1945, den Stürmer-Komplex und den sich in Gefangenschaft und vor dem Tribunal 1945 schließenden Kreis. In diesem Rahmen gelingen dem Verfasser in sorgfältiger Auswertung der verfügbaren Quellen über das allgemeiner bekannte Gesamtbild hinaus vielfältige vertiefte Einsichten. Insgesamt beurteilt er auf dieser Grundlage Julius Streicher und den Stürmer als Volksvergifter übelster Sorte, die erbarmungslos hetzten und dabei besonders auch Kinder und Jugendliche mit ihrer Propaganda infiltrieren wollten, so dass der Priester des Geburtsorts, als er vom Tode des durch den Stürmer zu Millionen gelangten, später aber gefallenen und in Pleikershof landwirtschaftlich wirkenden Julius Streicher erfuhr, in das Geburts- und Taufregister die Schlussworte schrieb: 1946 in Nürnberg mit dem Strang hingerichtet – quam admirabilia judicia tua domine.

 

Innsbruck                                                                  Gerhard Köbler