Rechtswissenschaft als Kulturwissenschaft? Kongress der
schweizerischen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie, 15. und 16. Juni
2007, Universität Zürich, hg. v. Senn, Marcel/Puskás, Dániel (= Archiv
für Rechts- und Sozialphilosophie Beiheft 115). Steiner, Stuttgart 2007. 220 S.
Besprochen von Gerhard Köbler.
Seit der Entstehung der Wissenschaften und des Wortes
Wissenschaft sind die Gliederung und Ordnung des darunter versammelten Stoffes
angesichts seiner ständig steigenden Menge ein eigener Gegenstand der
Wissenschaft. Konnte man sich lange Zeit an den antiken artes liberales
orientieren und bildete die hochmittelalterliche Universität zunächst vier klassische
Fakultäten aus, so traten in der Neuzeit mehr und mehr die Naturwissenschaften
den früher im Vordergrund stehenden Geisteswissenschaften zur Seite. Mit der
Artikulierung von Kulturwissenschaften in der jüngeren Vergangenheit stellt
sich wie von selbst die Frage, ob die Rechtswissenschaft zu ihnen gehört.
Diesen offenen Gegenstand hat auf Initiative der
Internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie die
schweizerische Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie als inhaltlich
gewichtiges, wenn auch kaum modisches Thema auf dem in Zürich vom 15. bis 16.
Juni abgehaltenen Kongress zur Diskussion gestellt. Dabei wurden drei Sektionen gebildet. Die erste Sektion galt
dem Rechtsverständnis in Antike, Mittelalter und Neuzeit, die zweite Sektion der
Grundlage von Naturalismus und Neukantianismus in der Rechtswissenschaft und
die dritte den Konstanten, die unter dem Aspekt einer erneuerten Anthropologie
weiter verhandelt werden sollten.
Auf die dortigen Erkenntnisse kann leider nur mit Verspätung
und ganz allgemein hingewiesen werden. Nach Einleitung und Rückblick durch
Marcel Senn und Hasso Hofmann werden in drei Referaten die Perspektive der
Rechtsphilosophie in der Antike, die Perspektiven des Mittelalters und die
Neuzeit als Aufklärungsprozess untersucht, woran sich fünf Studien zum Badener Neukantianismus und zur
Rechtsphilosophie, zu Neukantianismus und Rechtsnaturalismus, zu dem
neukantianischen Gedanken Rechtswissenschaft als Kulturwissenschaft, zu Recht
der Kultur – Kultur des Rechts von Herder zu Kant sowie zur Frage, warum
Rechtswissenschaft keine Wissenschaft der Politik ist, anschließen. Sieben
Voten des Publikums zur Wirkung der Kulturwissenschaft auf die geschichtliche
Rechtswissenschaft, zu Ansätzen Ernst Cassirers, zum Verhältnis von
Kulturrelativismus und Menschenrechten, zu postmoderner Rechtswissenschaft, zur
Rechtsvergleichung, zum Antimodernismus und zu Kultur, Selbstreflexion und
Recht im Übergang von antikem zu christlichem Denken runden als Anfang einer
neuen Diskussion den schmalen, aber philosophisch reichen, nicht durch
Verzeichnisse aufgeschlossenen Band ab.
Innsbruck Gerhard Köbler