Popp, Andreas, Gläubigerschädigung (= Jus Poenale 2). Mohr (Siebeck) Tübingen 2014. XVIII, 421 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der Verfasser geht in seiner Einleitung von einem Bericht Emile Durkheims über einen eigenartigen Brauch unter anderem in Irland und Indien aus, nach dem ein Gläubiger einem zahlungsunwilligen Schuldner mit dem eigenen Tod beispielsweise durch Verhungern droht. Auffällig hieran erscheint, dass niemand außer dem Gläubiger selbst offenbar zuständig dafür ist, den Schuldner zur Einlösung seiner Schuld anzuhalten und notfalls zu zwingen. In gleicher Weise interessiert sich das Strafrecht der Gegenwart für diese Frage nicht, indem nach gängigem Verständnis die schlichte Nichterfüllung schuldrechtlicher Leistungspflichten grundsätzlich straflos ist oder es doch sein sollte.

 

Die sich mit dieser Thematik beschäftigende vorliegende Untersuchung ist die von Bernhard Haffke angeregte und kritisch begleitete, im Jahre 2009 von der juristischen Fakultät der Universität Passau angenommene Habilitationsschrift des 1973 geborenen, in Passau in Rechtswissenschaft und in Bochum in Kriminologie und Polizeiwissenschaft ausgebildeten, nach den beiden juristischen Staatsprüfungen 2004 in Passau mit einer Dissertation über verfahrenstheoretische Grundlagen der Fehlerkorrektur im Strafverfahren promovierten und als wissenschaftlicher Assistent tätigen Verfassers, der seit 2014 als Professor an der Universität Konstanz wirkt. Sie gliedert sich nach der Einleitung in drei Kapitel. Sie betreffen den Ausgangspunkt des Gläubigerschädigungsstrafrechts als Gegenstand und des scheinbaren Nichterfüllungsstrafrechts, die Normentheorie der Gläubigerschädigung und das von der Frage nach einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit für die Nichterfüllung des Anspruchs ausgehende Gläubigerschädigungsstrafrecht.

 

Auf seiner Suche nach einem Schuldnerstrafrecht durchforscht der Verfasser das deutsche Strafrecht seit dem Reichsstrafgesetzbuch des Jahres 1871. Auf der Grundlage einer Normentheorie mit dem subjektiven Recht des Gläubigers im Mittelpunkt betrachtet er alle dafür in Frage kommenden einzelnen Tatbestände. Im Ergebnis kann er den Satz von der prinzipiellen Straflosigkeit der schlichten Nichterfüllung schuldrechtlicher Verpflichtungen im Wesentlichen bestätigen, weil Gläubigerschädigungsstrafrecht erst dann Bedeutung gewinnen kann, wenn mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nichts (mehr) auszurichten ist und dem Schuldner dies anzulasten ist, wofür der Verfasser ein umfangreiches Untersuchungsfeld sorgfältig und weiterführend abtastet.

 

Innsbruck                                                                              Gerhard Köbler