Peltzer, Jörg, Der Rang der
Pfalzgrafen bei Rhein. Die Gestaltung der politisch-sozialen Ordnung des Reichs
im 13. und 14. Jahrhundert (= RANK. Politisch-soziale Ordnungen im mittelalterlichen
Europa 2). Thorbecke, Ostfildern 2013. 504 S. Besprochen von Steffen Schlinker.
Jörg Peltzer thematisiert in seiner historischen
Habilitationsschrift den Rang der Pfalzgrafen bei Rhein im Rahmen der
Entwicklung der politisch-sozialen Ordnung des Heiligen Römischen Reichs im 13.
und 14. Jahrhundert. Der Untersuchung werden sinnvollerweise theoretische
Überlegungen zur Funktion des Rangs vorangestellt. Peltzer geht überzeugend
davon aus, dass Rang eine anthropologische Konstante ist, weil gänzlich
egalitäre, sozial nicht differenzierte Gesellschaften nicht nachweisbar sind
(Einleitung S. 22). Rang definiert er als das Moment, das eine Beziehung
zwischen der Ordnung als gemeinsamem Bezugsrahmen und der individuellen
Position des Einzelnen herstellt (S. 22). Insofern manifestiert sich Rang stets
auf zwei Ebenen, einerseits als Beziehung der Gleichheit und Zugehörigkeit
(egalitäre Dimension), andererseits als Beziehung der Differenz in Überordnung
und Unterordnung (hierarchische Dimension). Damit sind Untersuchungskriterien
benannt, die für die folgende Erörterung fruchtbar gemacht werden: Die Frage
nach der Stellung der Pfalzgrafen innerhalb der Gruppe der Fürsten und
Kurfürsten sowie gegenüber dem König, aber auch gegenüber den Grafen und Herren.
Für das Mittelalter versteht Peltzer Rang als eine zentrale gesellschaftliche
Ordnungskategorie, auch wenn in der mittelalterlichen Gesellschaft häufig
verschiedene rangprägende funktionsabhängige soziale Gruppen nebeneinander
existierten, die sich nicht zwingend in ein hierarchisches Gesamtsystem
einordnen ließen (S. 24). Daher möchte er auch den Begriff der
Ständegesellschaft zur Bezeichnung der mittelalterlichen Lebensverhältnisse
nicht aufgeben, weil - wie er überzeugend darlegt - sich darin deutlicher die
Funktion als Ordnungskategorie ausdrückt (S. 25). Ohne Relation zu Dritten ist
die Zuschreibung eines bestimmten Rangs nicht denkbar. Rang verlangt
gewissermaßen nach einer „Bühne“, er muss sichtbar werden und bedarf der
Anerkennung durch Dritte. Rang wird ausgedrückt und bestätigt durch Akte
symbolischer Kommunikation (S. 27, 31). Da mit einem Diktum Peter Moraws im
Mittelalter „politischer und sozialer Stand ... in gewisser Weise dasselbe“
waren (S. 29), lässt sich am Rang einer Person zugleich deren politische
Bedeutung in einem bestimmten Umfeld ablesen.
Die zentralen Untersuchungen beginnen mit einer
ereignis- und verfassungshistorischen Standortbestimmung zum Amt des
Pfalzgrafen um das Jahr 1200 (S. 45-52). Als Ausgangspunkt für die künftige Entwicklung
muss festgehalten werden, dass dem Pfalzgrafen einerseits kaum mit dem Amt
verbundene Vorrechte zukamen, andererseits aber eine einschränkende
Herzogsgewalt in Franken fehlte, so dass der Pfalzgraf die Chance hatte, in
eine herzogliche Stellung hineinzuwachsen. Der hohe Rang der Pfalzgrafen im 12.
und frühen 13. Jahrhundert basierte vor allem darauf, dass Angehörige der
königlichen Dynastien die pfalzgräfliche Würde bekleideten (S. 50). Diese
geographische und persönliche Königsnähe fanden die Wittelsbacher im Jahr 1214
vor und vermochten sie zu bewahren (S. 53ff.): Die Pfalzgrafen zeigten stete
Präsenz bei den Königswahlen, nahmen häufig an den Krönungszeremonien teil,
besuchten die königlichen Hoftage und übernahmen für den König militärische
Aufgaben. Wenn sich auch die königlichen und die pfalzgräflichen Interessen
nicht immer deckten und die Beziehung zwischen König und Pfalzgraf Schwankungen
zu verzeichnen hatte (S. 61ff.), ist doch die Gestaltung einer intensiven
Partnerschaft zu erkennen. Häufig gingen die pfalzgräflichen Dienste jedenfalls
über die Erfüllung der geschuldeten Lehnspflichten hinaus, so dass sich die
Pfalzgrafen als wahre Säulen des Reichs erweisen konnten (S. 63ff., 71). Der
König - so Peltzer - war der Fixpunkt pfalzgräflicher Aktivität. Abhängig von
den jeweiligen individuellen Fähigkeiten der beiden Akteure sei die Beziehung
überwiegend freundlich und mithin für beide Seiten vorteilhaft gewesen (S. 70).
So konnten die Pfalzgrafen Reichspfandschaften in großem Umfang erwerben, um
ihre Besitzungen zu arrondieren (S. 72). Als wirksamer Schutz vor einer
Wiedereinlösung durch das Reich sollte sich das Königswahlrecht des Pfalzgrafen
erweisen (S. 74ff.). Das Wahlrecht erwies sich mithin als politisches Pfund,
aus dem materielle Vorteile wucherten (S. 161ff.).
Im Rahmen der Erörterung von Rang und Bedeutung
des Pfalzgrafen werden dessen Aufgaben und Würden als Reichsfürst, Kurfürst,
Richter und Reichsvikar mit dem Ziel untersucht, den Platz des Pfalzgrafen im
Gefüge des Reichs zu bestimmen und die institutionellen Prozesse sichtbar zu
machen. Ausdruck dieser Entwicklung ist die Veränderung des Sprachgebrauchs:
Während im 12. Jahrhundert auch Grafen und Herren als Säulen des Reichs
bezeichnet wurden, waren es im 13. Jahrhundert nur noch die Reichsfürsten, die
das Reich als Säulen trugen oder als Glieder (membra) bildeten (S. 78ff.). Im
14. Jahrhundert verringerte sich die Zahl der Säulen des Reichs in der Goldenen
Bulle schließlich auf die Kurfürsten (S. 88ff.). „Die Trennlinie“ sei daher im
Jahr 1356 „nicht mehr zwischen Reichsfürsten und Nicht-Reichsfürsten, sondern
zwischen Kurfürsten und den übrigen Anwesenden“ verlaufen (S. 100). Fraglich
ist, ob die bekanntermaßen seltene Präsenz der Fürsten in der Nähe des Königs
während des späten Mittelalters auf diese Entwicklung Einfluss hatte oder ob
allein entscheidend war, dass bestimmte Fürsten als Kurfürsten das zunächst
hochadelige Königswahlrecht schrittweise von 1198 bis 1273 in ihrer Person zu
konzentrieren vermochten (S. 104-116). Die historische Herleitung des Kurrechts
der vier weltlichen Kurstimmen wird, bedingt durch die Fragestellung, nur am
Rande gestreift. Für die verfassungsgeschichtliche Entwicklung wesentlich ist
aber, dass die Konzentration des Wahlrechts als Privileg eines Hauses noch
nicht die Frage gelöst hatte, wer innerhalb einer Familie das Wahlstimme abzugeben
berechtigt war (S. 150ff.). Die Einführung der Primogenitur mit der Goldenen
Bulle löste schließlich nicht nur die innerfamiliären Verwicklungen, sondern
gab den Kurfürstentümern höchstwahrscheinlich auch einen Innovationsschub auf
ihrem Weg zur Staatlichkeit. Der Schritt an die Spitze der Königswähler gelang
dem Pfalzgrafen jedoch trotz mancher Vorrechte bei der Ladung und der
Stimmabgabe nicht (S. 161ff., 172ff.). Keine besonderen fürstlichen Vorrechte
kann Peltzer im Kapitel „Fürsten und König vor Gericht“ ausmachen. Er bestätigt
insofern den Stand der Forschung (S. 187ff.). Als Urteiler in streitigen
Verfahren zwischen Reichsfürsten sind neben Fürsten, Grafen und Herren sogar
Ministeriale nachgewiesen (S. 188ff.). Inwieweit über Fürsten vor dem
Hofgericht und in Lehensachen nur mit Fürsten als Urteilern gerichtet werden
durfte, ist für das 13. Jahrhundert nicht eindeutig zu beantworten (S. 193).
Das gilt auch für die Acht, die der König laut Schwabenspiegel (Ldr. § 138) nur
mit sieben Fürsten als Urteilern verhängen durfte. Zwar verstärkte sich im 14.
Jahrhundert der Wunsch der Fürsten, nur dem Urteil von Fürsten unterstellt zu
werden, aber noch im 15. Jahrhundert finden sich Grafen und Herren als Urteiler
in Lehnsprozessen und Achtprozessen gegen Fürsten (S. 194). Im Hofgericht blieb
es also zumindest institutionell bei einer Gleichrangigkeit von Fürsten, Grafen
und Herren. Für das Fehlen einer exklusiven fürstlichen Rechtsstellung im
Gericht mögen praktische wie politische Gründe verantwortlich sein: Auf eine
Verdrängung der Grafen und Herren, die bekanntlich im späten Mittelalter häufig
am Königshof zu finden sind, konnte und wollte sich der König vermutlich nicht
einlassen. Peltzer nimmt daher m. E. völlig zu Recht an, dass die Nähe zum
König sowie Rechtskenntnisse für die Befähigung zum Urteiler wichtiger waren
als die fürstliche Würde (S. 197f.).
Mit dem Richteramt über den König wird sodann
ein wichtiges, den Pfalzgrafen auszeichnendes Amt angesprochen. Dass auch dem
König das Recht gewiesen wurde, ist ein wesentlicher Aspekt der
mittelalterlichen Rechtsgeschichte, der nördlich der Alpen noch kaum durch das
rezipierte römische Recht berührt wurde. Neben der Bindung des Herrschers an
das Reichsrecht drückte sich darin eine Teilhabe- und Kontrollfunktion der
Fürsten aus, die ihrerseits das Reich verkörperten (S. 200). Erst in der
Goldene Bulle gelang es Karl IV., das pfalzgräfliche Richteramt über den König
insoweit zu begrenzen, als der König nicht geladen werden durfte, sondern der
Prozess in imperiali curia stattfinden
sollte (S. 202). Aber auch wenn es dem König im 14. Jahrhundert gelang, die
Gewichte zu seinen Gunsten zu verschieben, blieb er aus fürstlicher Sicht im
Gericht ein primus inter pares
(S. 204). Ebenfalls nicht ungeschmälert blieb das Reichsvikariat, das den
Pfalzgrafen zum Vertreter von König und Reich machte (S. 207ff.). Zwar stand
das Reichsvikariat absente rege,
etwa während eines Romzugs, zu relativ freier Verfügung des Königs, doch hatte
der Pfalzgraf vacante imperio während
des Interregnums eine vergleichsweise starke Position eingenommen. In der
Goldenen Bulle wurde das pfalzgräfliche Reichsvikariat jedoch geographisch und
inhaltlich durch die Einsetzung des Herzogs von Sachsen als Reichsvikar für das
Gebiet sächsischen Rechts beschränkt.
Als Gradmesser für gesellschaftlichen Rang
untersucht Peltzer schließlich einerseits die Selbstbezeichnungen und
Fremdbezeichnungen des Pfalzgrafen und andererseits das Konnubium. Anhand von
Urkunden, Chroniken und Siegeln kann er eine bemerkenswert hohe Kongruenz der
Anrede durch Dritte mit der pfalzgräflichen Selbstbezeichnung feststellen (S.
230ff.). Die Heiratsverbindungen der Pfalzgrafen zeigen wie auch in anderen
hochadeligen Familien den Wunsch, einen Ehepartner von gleichem, wenn möglich höherem
Rang zu heiraten (S. 279ff., 283). So diente das Konnubium der Pflege
bestehender oder der Begründung neuer Bündnisse und selbstverständlich
beeinflussten finanzielle Vorteile die Partnerwahl. Das galt insbesondere für
gräfliche Heiraten, die nicht als rangmindernd betrachtet wurden, in der Regel
aber stattfanden, weil das Erbrecht einen materiellen Vorteil verhieß. Der
pfalzgräfliche Handlungshorizont war diesbezüglich in aller Regel das Reich (S.
307). Auf europäischer Ebene wurden die Pfalzgrafen erst jeweils mit dem Erwerb
der Königswürde als heiratsfähig betrachtet. Peltzer kann festhalten, dass es
ein kurfürstliches Konnubium nicht gab, so ist beispielsweise keine
Eheschließung zwischen den Häusern Pfalz und Sachsen dokumentiert. Über das
Konnubium fand daher kein - der politischen Entwicklung entsprechender -
Abgrenzungsprozess gegenüber den übrigen Reichsfürsten statt, durchaus aber
gegenüber gräflichen Familien.
Als Ort der interaktiven Aushandlung des Rangs
gelten die Reichsversammlungen, welche die politisch-soziale Ordnung sichtbar
machten (S. 336 ff.). Peltzer spricht von einem „Glänzen für König, Reich und
sich selbst“ (S. 338). Kleidung, Begrüßungen, Ansprachen, Ehrenämter, vor allem
aber Sitzordnungen und Prozessionsordnungen versinnbildlichten die Ordnung des
Reichs und den Rang seiner Glieder. In dem unmissverständlichen Verlangen
Herzog Rudolfs IV. von Österreich, mit den kurfürstlichen Privilegien in der
Goldenen Bulle gleichzuziehen, sowie der königlichen Reaktion zeigt sich
besonders eindrucksvoll, dass ein Rang nicht nur behauptet, sondern auch vom
König und den Fürsten akzeptiert werden musste (S. 399ff.).
Peltzer gelingt es, die Gestaltung der
politisch-sozialen Ordnung des Reichs im 13. und 14. Jahrhundert durch Prozesse
der Differenzierung und Kollegialisierung sichtbar zu machen (S. 420-437). Dazu
zählt er erstens die Ausbildung einer Gruppe von Kurfürsten als
politisch-sozialer Elite in der Zeit von 1198 bis 1356. Dynamisierend wirkten
die Herrschaftskrisen des späten Mittelalters, während die Goldene Bulle von
1356 den erreichten Zustand festigte und sicherte. Zweitens benennt er die
Anzeichen korporativen Handelns der Kurfürsten bis zur Bildung eines
Kurfürstenkollegs. Drittens stellt er fest, dass sich nicht nur der Abstand
zwischen den Kurfürsten und den Fürsten vergrößerte, sondern auch zwischen
Fürsten und Grafen. Während sich der Hochadel politisch in Kurfürsten, Fürsten
und Grafen trennte, blieben Kurfürsten, Fürsten und Grafen jedoch im Gericht
mehr oder weniger gleichrangig. Die Kurfürsten repräsentierten mit dem König
das Reich. In der Form symbolischer Kommunikation bildeten sie aufgrund ihrer
Erzämter gewissermaßen den königlichen Hof. Dem König gelang es jedoch nicht,
die Kurfürstenämter auf diesem Wege als von ihm abgeleitete Würden erscheinen
zu lassen. Die Kurfürsten nahmen vielmehr kraft eigenen Rechts für sich in
Anspruch, die Interessen des Reichs zu vertreten, ohne dabei das Königsamt in
Frage zu stellen und ein oligarchisches Herrschaftsmodell zu verfolgen. Dass
mittelalterliche Herrschaft sowohl autogene Herrschaft als auch delegierte
Reichsgewalt sein konnte, zeigt sich hier besonders deutlich. Umfangreiche
Quellenangaben und Literaturangaben (S. 438-485) sowie Ortsregister und
Personenregister (S. 486-504) schließen die Arbeit ab.
Jörg Peltzer hat eine profunde
verfassungsgeschichtliche Arbeit zum Prozess der institutionellen Ausgestaltung
der Reichsverfassung im 13. und 14. Jahrhundert vorgelegt. Einer vermeintlich
bekannten Entwicklung vermag er Neues abzugewinnen, in dem er die Quellen mit
einer eigenständigen Fragestellung liest und in Querschnitten die
pfalzgräflichen Ämter und Würden in ihrer Entwicklung erörtert. Rangbildende
Faktoren werden als Motor der Verfassungsentwicklung und als Merkmal der
Verfassungswirklichkeit begriffen. Zu zahlreichen Kontroversen der Forschung
wird überzeugend Stellung bezogen. So kann Peltzer etwa darlegen, dass die
Kurfürsten schon im 14. Jahrhundert als Kollegium zu erkennen sind. Die klar
durchdachte Struktur und die elegante Formulierung des Textes, verbunden mit
instruktiven Zusammenfassungen, machen die Lektüre zu einem wirklichen
Vergnügen. Dazu trägt sicher auch Jörg Peltzers feines Gespür für rechtliche
Zusammenhänge bei, das ihn in die große Tradition von Peter Moraw,
Karl-Friedrich Krieger und Karl-Heinz Spieß stellt. Die manchmal baufällig
erscheinende Brücke zwischen der allgemeinen Geschichtswissenschaft und der
Rechtsgeschichte hat mit diesem Buch einen erheblichen Renovierungsschub
erhalten. Es ist Teil eines von Jörg Peltzer betreuten Projekts, das die
Ausbildung fürstlicher Eliten und die damit einhergehende „Neukonfigurierung
der politisch-sozialen Ordnungen in England und im Heiligen Römischen Reich
vergleichend untersucht“ (S. 436). Auf weitere Bände der Reihe RANK dürfen sich
Rechtshistoriker also freuen.
Würzburg Steffen
Schlinker