Parteien und Gesellschaft im Ersten Weltkrieg. Das Beispiel Österreich-Ungarn, hg. v. Mesner, Maria/Kriechbaumer, Robert/Maier, Michaela/Wohnout, Helmut. Böhlau, Wien 2014. 243 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

In Sarajewo wurde am 28. Juni 1914 der österreichische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand zusammen mit seiner Frau von Mitgliedern der revolutionären Untergrundorganisation Mlada Bosna erschossen, die Bosnien-Herzegowina von der Herrschaft Österreich-Ungarns befreien wollte. Da Mlada Bosna mit Serbien in Verbindung gebracht wurde, verlangte Österreich in einem eindringlichen Ultimatum eine gerichtliche Untersuchung gegen die Täter und erklärte, gestärkt durch einen so genannten Blankoscheck des Deutschen Reiches, nach einer als nichtbefriedigend eingestuften Antwort Serbiens am 28. Juli 1914 Serbien den Krieg. Die hundertste Wiederkehr der Jahrestage dieser Ereignisse hat im Vorgriff in Österreich bereits 2011 zur Gründung der Plattform der zeithistorischen politischen Archive aus der Wilfried-Haslauer-Bibliothek, dem Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung, dem Karl-von Vogelsang-Institut und dem Kreisky-Archiv geführt, die sich im November 2013 zur besseren Ausleuchtung der Geschichte des Ersten Weltkriegs in einer Konferenz vor allem mit den Haltungen, Dilemmata und Entscheidungen der österreichischen politischen Parteien kurz vor, bei und nach Kriegsausbruch befasste.

 

Der vorliegende Sammelband stellt in diesem Zusammenhang nach einem kurzen Vorwort der Herausgeber 13 unterschiedliche Beiträge dieser wissenschaftlichen Zusammenkunft der Allgemeinheit zur Verfügung. Dies beginnt mit einer Beschreibung eines Donnerstags vor dem Krieg (28. Mai 1914) durch Maureen Healy an Hand von Zeitungsmeldungen zu Wetter, Schlagzeilen, Berichten über die zukünftigen Feinde, Innenpolitik, Sport, Technik, Anzeigen, Nachrufen und Todesanzeigen. Danach untersucht Johannes Schönner die Christlichsozialen, Lutz Musner die Sozialdemokratie und Gernot Stimmer die deutschnationalen Parteien, während András Gerő, Maddalena Guiotto und Regina Wonisch den Blick nach außern auf Ungarn und Tschechen wenden. Maria Mesner schildert die Niederlage der Friedensbewegung vor dem Ersten Weltkrieg.

 

Nach der Einbeziehung des katholischen Episkopats durch Michaela Sohn-Kronthaler und der Lage von Juden und Muslimen im Ersten Weltkrieg durch Erwin A. Schmidl betrachtet Wolfgang Maderthaner den modernen Massenkrieg. Lorenz Mikoletzky mit einer Wortmeldung und Manfried Rauchensteiner mit Gedankensplittern beschließen diesen neuen Zugriff auf einzelne Facetten der Zeit des Ersten Weltkriegs, der durch ein Personenverzeichnis von Abel bis Zweig abgerundet wird. Zwar verhinderte nach dem Vorwort die Knappheit der verfügbaren Ressourcen die Beschäftigung mit sämtlichen Positionen der Monarchie in ihrer ethnisch aufgefächerten Vielfalt, doch bietet auch schon das Geleistete vielfältige neue Erkenntnisse über den behandelten Gegenstand, der sich ohne die Kriegserklärung Österreichs an Serbien freilich so nicht ergeben hätte.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler