Landrechtsentwurf für Österreich unter der Enns 1526, hg. v. Brauneder, Wilhelm (= Rechtshistorische Reihe 452). Lang, Frankfurt am Main 2014. 195 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Zutreffend weist der Herausgeber, der auf der Rückseite des Umschlags untertreibend als „Mitverfasser zahlreicher Publikationen zum Thema Rechtsgeschichte“ beschrieben wird, der „nach einer Tätigkeit als Honorarprofessor an der Universität Budapest“ von 1977 bzw. 1980 „bis zu seiner Emeritierung 2012 Professor an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien“ war, auf eine gewichtige Editionslücke hin. Einerseits sind die meisten älteren Texte inzwischen auf Grund vorwiegend geschichtlichen Interesses in wissenschaftlichen Ausgaben für die Allgemeinheit verfügbar gemacht. Andererseits sind wegen der sachlichen Verbundenheit mit der Gegenwart auch viele Texte der jüngeren Vergangenheit in wissenschaftlichen Ausgaben veröffentlicht.

 

Demgegenüber sind Dokumente der Zwischenzeit vielfach bisher zu wenig beachtet worden. Die vorliegende Edition schließt deshalb erfreulicherweise eine bislang bestehende Lücke. Sie hat dementsprechend auch umgehend das besondere Interesse eines Sachkenners gefunden, demgegenüber eine erste Anzeige des Herausgebers nur auf einige wenige allgemeine Züge hinweisen kann.

 

Die mit guten Gründen Gunther (!) Wesener gewidmete Edition beruht im Wesentlichen auf Band 1 der von Carl von Chorinsky als Präsident des Oberlandesgerichts Wien 1891 durch 5-6 Mitarbeiter begonnenen, 1894 vorgestellten Sammlung von lithografierten Archivabschriften in lateinischer Schreibschrift, dem seinerseits als Stammtext die Handschrift cod. Mscr. 178 des niederösterreichischen Landesarchivs zu Grunde liegt, die nach einem Vermerk von 1721 mit einer Schenkung umfassender Art aus dem Eigentum des damaligen niederösterreichischen Landuntermarschalls Johann Joachim von Aichen in das Archiv des niederösterreichischen Ritterstands gelangt war. Diese Handschrift diente dem Kopisten der Sammlung Chorinsky als Stammhandschrift, während die übrigen Handschriften (Böhm, Supplement 386 des österreichischen Staatsarchivs, 14862 bzw. Supplement 2292 der österreichischen Nationalbibliothek, 95 Schlossarchiv Seisenberg des oberösterreichischen Landesarchivs und die im Schloss Thinnfeld in Deutschfeistritz in der Steiermark nicht mehr vorhandene Handschrift) die Fußnoten nachtragen. Dem folgte im Jahre 2005 eine Durchsicht durch Karin Ostrawsky mit einem stichprobenartigen Vergleich.

 

Sämtliche Handschriften benennen die Quelle als Landrechtsbuch oder Landrecht. Nach dem Herausgeber stammt sie (bzw. es) wohl von 1526 und befand sich jedenfalls am 13. Januar 1528 in den Händen der landesfürstlichen Kommissarien, wurde aber von Kaiser Ferdinand I. als Landesfürst von Österreich unter der Enns nicht sanktioniert. Nach dem Herausgeber gliedert sich das Landrechtsbuch in (drei) „pürchern“ (S. 11 mit Hinweis auch III/Vorrede, wo sich die Wendung findet Als wir in den vörderen zwaien püechern beschriben haben). Die einer Vorred folgenden drei Bücher handeln von den gerichtspersonen, von dem gericht und seiner ordnung u. s. w. und von thailung des recht u. s. w., wobei die Texteinteilung vom Kopisten der Sammlung Chorinsky in Verfeinerung der Gliederung der Stammquelle erfolgte.

 

Insgesamt bereichert die Edition die allgemein verfügbaren Rechtsquellen Österreichs in einem wichtigen Einzelpunkt. In einer zweiten Auflage wäre die Angabe auch von Buch und Titel vor jedem Paragraphen für den Benutzer vermutlich eine nützliche Orientierungshilfe. Dem modernen Stand der Technik würde die Beigabe einer digitalen Fassung der gegenwärtigen maschinellen Abschrift entsprechen, weil der Leser damit leichter auch pürcher finden könnte oder nicht.

 

Innsbruck                                                                                          Gerhard Köbler