Küffer,
Rafael, Eine liberale Kritik am Notrecht. Zaccaria Giacometti
als Protagonist der Schweizer Notrechtsdebatte (= Beiträge zur Rechtsgeschichte
des 20. Jahrhunderts 79). Mohr (Siebeck), Tübingen 2014. XVI, 232 S. Besprochen
von Gerhard Köbler.
Dass der Staat sich um sich selbst sorgt, ist die Folge seines im Menschen angelegten Ursprungs und verbindet ihn mit seinem Schöpfer. Deswegen hat auch der Staat ein großes Interesse an seinem ungestörten Fortbestand, der am ehesten die Gewähr auch für die damit verbundenen Rechte und Möglichkeiten der ihn Beherrschenden ist. Angesichts der tatsächlichen bereits eingetretenen und vor allem auch der möglichen zukünftigen Gegebenheiten hat sich aus dieser Lage die Vorstellung entwickelt, dass neben dem geltenden Recht des ungestörten Betriebs auch ein besonderes, einfacheres und wirksameres Recht für Notfälle oder Notstände als Notrecht erforderlich oder zumindest sinnvoll sein kann.
Der 1978 geborene, nach einer Ausbildung zum Chemielaboranten das Studium der Rechtswissenschaft in Bern, Poitiers und Luzern absolvierende und anschließend als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Rechtsgeschichte der Universität und als Anwalt bzw. im Unternehmensrechtsdienst einer Versicherung tätige Verfasser behandelt in seiner von Sibylle Hofer betreuten, im März 2013 von der Universität Bern angenommenen Dissertation die damit verbundenen Fragen an Hand Zaccaria Giacomettis. Dabei geht er in seiner Einleitung neben Thema, Forschungsstand, Gliederung und Begriffe auch auf Giacometti als Menschen ein. Der in dem italienischsprachigen Stampa in Graubünden am 26. September 1893 geborene Giacometti wurde nach dieser kurzen Darstellung nach dem Besuch des Gymnasiums in Schiers und dem Studium der Rechtswissenschaft in Basel und Zürich 1919 in Zürich mit der von Fritz Fleiner betreuten Dissertation über „die Genesis von Cavours Formel libera chiesa in libera (!) stato“ promoviert, 1924 auf Grund der Schrift über die Grenzziehung zwischen Zivilrechts- und Verwaltungsrechtinstituten in der Judikatur des schweizerischen Bundesgerichts für schweizerisches Bundesstaatsrecht, allgemeines und schweizerisches Verwaltungsrecht sowie Kirchenrecht habilitiert und 1927 zum außerordentlichen sowie 1936 zum ordentlichen Professor ernannt, trat aber 1961 aus gesundheitlichen Gründen und auf ärztlichen Rat als Professor zurück, ehe er im Zürich am 10. August 1970 verstarb.
Gegliedert ist die anregende, auch Archivalien einbeziehende Studie chronologisch in die vier Abschnitte der Zeit nach dem ersten Weltkrieg, der Zeit der nationalsozialistischen Machtergreifung (?), der Zeit des zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit. Dabei geht der Verfasser jeweils von der Schilderung der Hintergründe aus, untersucht auf dieser Grundlage die Notrechtsdebatte und ordnet Giacomettis Stellungnahmen ein, ehe er ein kurzes Fazit der Abschnitte zieht. Im Ergebnis kann er feststellen, dass der als letztlich nur als facettenreich zu bezeichnende Giacometti zwar die Eigenart des Schweizer politischen Systems betonte, seine Argumente aber ohne Offenlegung oft aus der deutschen Debatte auf die Schweiz übertrug und trotz grundsätzlicher allgemeiner Würdigung im Ergebnis mit seiner zentralen These, dass es Notrecht nicht geben kann, nicht durchdrang.
Innsbruck Gerhard Köbler