Koop, Volker, „Wer Jude ist, bestimme ich!“. „Ehrenarier“ im Nationalsozialismus. Böhlau, Köln 2014. 354 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Adolf Hitler war auf Grund letztlich nicht wirklich bekannter Einzelumstände im Laufe seiner Entwicklung zum Antisemiten geworden, der seine Anschauungen totalitär und radikal vertrat. Da der Grundsatz aber überall die Ausnahme bedingt, kann es kaum überraschen, dass im Einzelfall auch mancher einzelne Jude anders behandelt wurde als die meisten anderen. Mit diesem Problemkreis befasst sich das vorliegende Werk des in Pfaffenhofen an der Ilm 1945 geborenen Journalisten und Publizisten Volker, der seit vielen Jahren durch eine Vielzahl zeitgeschichtlich-politischer Veröffentlichungen hervorgetreten ist.

 

Es gliedert sich in insgesamt 15 Abschnitte. Sie beginnen in der kurzen Einleitung mit der am 20. April 1942 von dem Maler Anton Leidl aus München (auf Wunsch des so genannten Halbjuden Paul Heisel von Chemie Farben) an das Innenministerium des Deutschen Reiches gerichteten Frage, ob es tatsächlich einen Ehrenarier-Pass gibt. Bereits vier Tage später antwortete Ministerialrat Johannes Kaibel, dass es einen Ehrenarier-Pass nicht gebe, dass aber ein Gesuch um Gleichstellung mit deutschblütigen Personen ratsam sei.

 

Für den Zeitraum bis September 1942 nannte dabei der Leiter des Referats Rassenpolitik im Ministerium des Innern des Deutschen Reiches 394 erfolgte Gleichstellungen, so dass der Verfasser ansprechend davon ausgeht, dass die Zahl der so genannten Ehrenarier 500 nicht überschritten haben dürfte. In diesem Rahmen untersucht er anschließend Hitlers Judenhass, Judenfeindlichkeit, die Nürnberger Rassengesetze, deren Handhabung, den 20. Juli 2944 als Auftrieb für NS-Rassisten, Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz, Hitlers Alibi-Juden bei den Olympischen Speilen in Berlin 1936, den Disput um die biologische Wirklichkeit, die Wehrmacht, verschiedene Einzelfälle sowie Hitlers Kritik an der Judenfreundlichkeit von Bündnispartnern. Wer immer sich für die im Einzelfall offene Flanke des antisemitischen Nationalsozialismus interessiert, kann dem mit Anmerkungen, Literaturhinweisen und einem Personenregister von Agoston Lilly (Gefährtin von Wolfgang Gurlitt) bis Zucher Max (Amtsrat) versehenen Werk vielfältige Einzelheiten über diese Seite der seinerzeitigen Wirklichkeit entnehmen.

 

Innsbruck                                                                              Gerhard Köbler