Kommentare in Recht und Religion, hg. v. Kästle, David/Jansen, Nils in Zusammenarbeit
mit Achenbach, Reinhard/Essen, Georg. Mohr (Siebeck), Tübingen 2013. XII, 465
S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die vielleicht ältere Religion der Menschen und ihr vielleicht jüngeres Recht weisen neben Unterschieden auch gewisse Gemeinsamkeiten auf, weshalb Theologen und Juristen immer wieder auch zusammenarbeiten. In diesem Rahmen haben Georg Essen in Bochum und Reinhard Achenbach in Münster im Jahre 2012 einen Sammelband über Dogmatisierungsprozesse in Recht und Religion veröffentlicht. An dieses Projekt schloss ein Symposion von Theologen und Rechtshistorikern in Münster im März 2012 an, dessen Erträge das vorliegende Sammelwerk der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt.
Es umfasst insgesamt siebzehn Beiträge, in die Nils Jansen in seiner Einführung über Kommentare in Recht und Religion einleitet. Er stellt dabei fünf bzw. sechs Leitfragen zusammen, an denen die Einzelstudien grundsätzlich, wenn auch nicht starr in jedem Einzelfall ausgerichtet sind oder sein sollen. Sie betreffen den Referenztext, der von der Bibel und Bekenntnistexten über Gesetze und andere Rechtstexte bis hin zu theologischen Abhandlungen wie der Summa theologiae Thomas von Aquins reicht, die Methode der Kommentierung, die diskursiven und institutionellen Bezüge der Kommentierung, die Form und die medialen Charkteristika, die Funktionen und Wirkungsweisen und schließlich die Bedeutung von Kommentaren als Referenztexte.
Im Einzelnen beginnt auf dieser allgemeinen Grundlage Ulrike Babusiaux mit dem Kommentar als Haupttext am Beispiel der libri ad edictum Ulpians, während Bernhard Lang aus den Bibelkommentaren der Kirchenväter des dritten bis sechsten nachchristlichen Jahrhunderts ein kleines Kompendium mit Forschungsstand und Beispieltexten bildet und Ronen Reichman sich mit der rabbinischen Literatur an Hand von Midrash, Mishna und Talmud befasst. Mechthild Dreyer beschäftigt sich mit Kommentaren zu den Sentenzen des Petrus Lombardus und Susanne Lepsius betrachtet die fließenden Grenzen juristischer Kommentierungstätigkeit im Spätmittelalter an den Beispielen von Glosse, Kommentar und Repetitio. Weitere Beiträge betreffen den Bibelkommentar in der Reformation, die Kommentarliteratur des gelehrten Rechtes in der frühen Neuzeit, den Summenkommentar des Francisco de Vitoria, Genesiskommentare im 18. und 19. Jahrhundert, Konzeptionen katholischer dogmatischer Theologie in der Moderne, den Gesetzeskommentar in „Deutschland“ im 19. und 20. Jahrhundert, den münsterischen Kommentar zum Codex Iuris Canonici, das Kommentieren in den Bibelwissenschaften, Herders theologischen Kommentar zum zweiten vatikanischen Konzil und den Funktionswandel von Kommentar und Dogmatik im Recht im Angesicht der gegenwärtigen Europäisierung und Globalisierung.
Am Ende stellt der als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut für Rechtsgeschichte der Universität Münster tätige Herausgeber juristische Kommentare und theologische Kommentare unter der Metapher der Farbe des Chamäleons zusammen. Im Ergebnis lassen sich nicht unerwartet außer vielfältigen Einzelunterschieden auch gemeinsame Merkmale der Gattung erkennen. Ein Personenregister von Abälard bis Zwingli und ein Sachregister von Abstraktion bis Zwölftafelgesetz schließen den vielfältigen Inhalt des interessanten und überzeugenden Werkes nutzerfreundlich auf.
Innsbruck Gerhard Köbler