Harder,
Clara, Pseudoisidor und das Papsttum. Funktion und Bedeutung
des apostolischem Stuhls in den pseudoisidorischen Fälschungen (= Papsttum im
mittelalterlichen Europa 2). Böhlau, Köln 2014. 290 S. Besprochen von Gerhard
Köbler.
In der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts begann ein afrikanischer Schriftsteller sein Werk mit den Worten Marius Mercator servus Christi lectori conservo suo et parens in domino fidei salutem. Unter Ersetzung des Namens Marius durch den auf Isidor von Sevilla anspielenden Namen Isidorus verwendeten sehr lange unbekannte Verfasser diesen Text für mindestens vier verfälschte kirchenrechtliche Sammlungen (Hispana Gallica Augustodunensis mit Konzilsbeschlüssen und Papstbriefen des 4. bis 8. Jahrhunderts, Capitularia Benedicti Levitae des 6. bis 9. Jahrhunderts, Capitula Angilramni angeblich Papst Hadrians I. zum Strafprozessrecht, rund 100 gefälschte Papstbriefe der ersten drei nachchristlichen Jahrhunderte). Wahrscheinlich wurden die erst 1628 entlarvten Verfälschungen in der Kirchenprovinz Reims zwischen 847 und 852 abgeschlossen, wobei Handschriften aus Corbie verwendet wurden und der spätere Abt Corbies Paschasius Radbertus (842-847) wesentlich wirkte.
Mit dieser bedeutendsten mittelalterlichen Fälschung beschäftigt sich die von Klaus Zechiel-Eckes angeregte und bis zu seinem unerwarteten frühen Tod betreute, im Oktober 2012 von der Universität Köln angenommene Dissertation der Verfasserin. Sie gliedert sich nach einer Einleitung in sieben Kapitel. Sie betreffen den römischen Primat im Frühmittelalter im Verhältnis zu den Fälschungen Pseudoisidors, den Papst in den pseudoisidorischen Dekretalen, den Papst in den Capitula Angilramni, den Papst in den Kapitularien des Benedictus Leviat, den Papst und die Excerptiones de gestis Chalcedonensis concilii , (als eine weitere mögliche pseudosisidorische Fälschung) eine Dekretale Gregors IV. und den Papst und Pseudoisidor.
Im Ergebnis kann die Verfasserin feststellen, dass die Sammlung dazu beitrug, den Jurisdiktionsprimat Roms herauszubilden, wie er seit dem 11. Jahrhundert eingefordert wurde. Ziel der Sammlung ist es, die Kirche als autonome Institution vor äußeren Eingriffen abzuschirmen. Nach der mutigen und überzeugenden Verfasserin ist Radbert Pseudoisidor und sind vor allem die falschen Dekretalen und die Chalkedon-Exzerpte sichtbarer Ausdruck dafür, dass Radbert von Corbie und andere fränkische Kleriker den Papst bereits vor der Mitte des 9. Jahrhunderts als das eigentliche Haupt der Kirche für Fragen der Lehre und der Jurisdiktion und nicht nur als Mittel zum Zweck ansahen.
Innsbruck Gerhard Köbler