Greßhake, Florian,
Deutschland als Problem Dänemarks. Das materielle Kulturerbe der Grenzregion
Sønderjylland - Schleswig seit 1864 (= Formen der Erinnerung 53). Vandenhoeck
& Ruprecht, Göttingen 2013. 491 S., 24 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Good fences make good neighbours ist eine bekannte
Erfahrungsweisheit. Dementsprechend gibt es unter Nachbarn nicht nur Hilfe und
Unterstützung, sondern auch Streit und Krieg. Weitaus die meisten
internationalen Konflikte erwuchsen zumindest vor der Globalisierung aus nicht
bewältigten Interessendifferenzen benachbarter Völker und Staaten.
Mit einer sehr alten wesentlichen deutschen Nachbarschaft
befasst sich das vorliegende Werk des1984 geborenen, nach dem Studium der Volkskunde,
europäischen Ethnologie, neueren und neuesten Geschichte sowie nordischen
Philologie in Münster und Stockholm ausgebildeten, an der Universität Kassel
2012 unter der Betreuung Winfried Speitkamps promovierten, nun in einem Verlag
in München wirkenden Verfassers. Die im Rahmen des vom Bundesministerium für
Bildung und Forschung geförderten Projekts Lost in Translation? Europabilder
und ihre Übersetzungen entstandene gewichtige Untersuchung gliedert sich nach
einer Einleitung, in der Deutschland als Problem Dänemarks als offene Frage
gestellt wird und der europäische Integrationsprozess, Grenze und Raum, die
behandelte Region, Fragestellung und Erkenntnisinteresse, Quellen und
Herangehensweise geschildert werden, in sechs Sachkapiteln. Sie betreffen das
materielle Kulturerbe zwischen regionaler Identität und nationaler Abgrenzung
in sechs Zeitabschnitten zwischen 1864 und 1920, zwischen 1920 und 1933,
zwischen 1933 und 1945, zwischen 1945 und 1960, zwischen 1960 und 1990 und ab
1990.
Dementsprechend liegen die Akzente auf regionaler Identität
und nationaler Abgrenzung, auf dem kulturellen Grenzkampf, auf dem nordischen
Gedanken und der Grenzfrage, auf dem Grenzkampf der Nachkriegszeit, auf der
Spannung zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung sowie auf
dem Verhältnis zwischen Europa und dem Kulturerbe der Grenzregionen.
Ausgangspunkt ist der bedauerliche deutsch-dänische Krieg des Jahres 1864, nach
dem für den dänischen Verlierer das mächtigere Deutschland zum Problem wurde.
Mit Hilfe des in den beigefügten Abbildungen (darunter der Flensburger Löwe in
>Flensburg auf dem alten Friedhof auf dem Außentitel) veranschaulichten
materiellen Kulturerbes kann der Verfasser auf breiter Grundlage ansprechend
zeigen, dass das im Europa der Gegenwart erwünschte grenzüberschreitende
regionale Selbstverständnis trotz zahlreicher einzelner Ansätze noch durch eine
gefühlte Grenze (mit Abgrenzung, Grenzkampf, Grenzfrage, Grenzkampf und
Spannung als bedeutenden Aspekten) behindert wird.
Innsbruck Gerhard
Köbler