Greil-Lidl, Stephanie, Die Verfügungsverwaltung in der Erbengemeinschaft. Ein Interessenkonflikt zwischen Gläubigerschutz und Privatautonomie unter dem Deckmantel des Gesamthandsprinzips. Herbert Utz, München 2014. 146 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung ist die Vermietung einer Villa in Radebeul in Sachsen im Jahre 1980 durch den Eigentümer und späteren Erblasser an die staatliche Kunstsammlung für 399,25 Mark der Deutschen Demokratischen Republik monatlich, als deren Folge der Mieter eine staatliche Puppentheatersammlung in dem Haus einrichtete. Nach  dem Tode des Erblassers 1989 wurden drei Erben Rechtsnachfolger, von denen einer seinen Erbteil an den Landesverein S. Heimatschutz e. V. schenkte, während auf der Mieterseite der staatlichen Kunstsammlung der Deutschen Demokratischen Republik der Freistaat Sachsen folgte. Nach Scheitern von Verhandlungen über die Erhöhung der ab 1. Januar 2002 204,13 Euro betragenden Miete (ortsüblicher Mietpreis etwa 4000 Euro) kündigte die Mehrheit der Erben den Mietvertrag, woraufhin im anschließenden Rechtsstreit der Bundesgerichtshof am Ende des Jahres 2009 entschied, dass entgegen dem Wortlaut des Gesetzes, der Systematik und dem Gesamthandsprinzip Verfügungen auch auf Grund des Mehrheitsbeschlusses der Erben vorgenommen werden dürfen, wenn es sich um eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung handelt.

 

Die sich mit dieser Frage befassende Untersuchung ist die von Ulrike Müßig betreute, im November 2012 an der juristischen Fakultät der Universität Passau eingereichte und im April 2013 angenommene Dissertation der ab 2004 in Erlangen-Nürnberg und Passau ausgebildeten, nach der ersten juristischen Staatsprüfung (2008) als wissenschaftliche Mitarbeiterin ihrer Betreuerin tätigen Verfasserin, die seit Ende 2012 als Strafrichterin am Amtsgericht wirkt. Sie gliedert sich nach Vorwort und Inhaltsverzeichnis und einer unter II. eigeordneten Einleitung in 10 Kapitel. Sie betreffen Historie der Regelungen, Problemstellung der Verfügungsverwaltung, Darstellung der Meinungen in der Literatur, Darstellung der Rechtsprechung aus den Jahren 1951, 1962, 1965, 2005, 2006 und 2009, Kritik an der Rechtsprechung, Vergleich mit den anderen Gesamthandsgemeinschaften bürgerlichrechtliche Gesellschaft und Gütergemeinschaft, Vergleich mit der Bruchteilsgemeinschaft, Ergebnisse und Lösungen.

Dabei gelangt die Verfasserin zu der Einsicht, dass die dem deutschen Recht unter dem Einfluss Otto von Gierkes entsprungene Erbengemeinschaft wegen der weitreichenden römischrechtlichen Umgebung des Bürgerlichen Gesetzbuchs bis zur Gegenwart mit Fragen behaftet ist, die auf einem Widerstreit der Interessen der Nachlassgläubiger und der Miterben beruhen. Hierfür findet die Verfasserin am Ende ihrer ansprechenden Untersuchung vier Möglichkeiten zur Vornahme von Verfügungen der Erben über Nachlassgegenstände, darunter im Rahmen einer Schaffung neuer Regelungen oder Ergänzungen nochmals drei Möglichkeiten.  Unter ihnen favorisiert sie die Möglichkeit der Erben, nach dem Vorbild der Schweiz, Finnlands und der Türkei bei Gericht einen Antrag auf Einsetzung eines Nachlassverwalters zu stellen, dessen Aufgabenbereich je nach Einzelfall bestimmt wird, weil dadurch „der Ausgleich zwischen dem Erhalt des Nachlasswerts durch die vom Gesetz geschaffene Schwerfälligkeit und der Möglichkeit geschaffen werde, bei Uneinigkeit der Erben die Verwaltung bei Bedarf in die Hände eines Dritten zu legen.“

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler